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Dalee : Roman / Dennis Gastmann. – Berlin : Rowohlt, 2023. (978-3-7371-0090-8)
Erhältlich auch als Hörbuch unter www.dibiost.ch

Kurz nach der indischen Unabhängigkeit wandern der junge Inder Bellini, seine Familie und ihr 40-jähriger Arbeitselefant Dalee auf die Andamanen aus. Auf der kaum erschlossenen Inselgruppe mitten im Indischen Ozean erwartet sie dichter Dschungel, wilde Tiere, dubiose ehemalige Strafgefangene und die grosse Verheissung vom Glück. Dort soll Bellini das Handwerk seines Vaters, eines Mahuts (Elefantenführer), erlernen.

Für einen skrupellosen europäischen Unternehmer, der durch Waldrodung zu Reichtum gelangen möchte, schleppen die Elefanten unter prekären Bedingungen die gefällten Bäume durch den Urwald. Oft schwimmt Bellini auf dem Rücken des Bullen von Insel zu Insel, um saftige Früchte zu ernten. Es entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen dem Jungen und dem Elefanten.

«Ich liess mich auf den Grund des Meeres sinken und faltete die Hände hinter dem Kopf. Über mir, im Licht, das in den Ozean fiel, schwebte Dalee. Er war eine Wolke in den Wellen, so leicht zog er dahin. Streckte ich eine Hand nach ihm aus, kam er näher und berührte sie mit einer Fussspitze. Weisser Sand wirbelte in die Höhe und rieselte wie Schnee auf mich herab. Und immer wenn sich Dalee neigte und nach mir sah, mit seinen honigfarbenen Augen, dann vergass ich, dass ich nicht schwimmen konnte.»

Man sagt, ein Elefant vergisst nie – aber was, wenn doch?

Plötzlich wird der behutsame Elefant zur Gefahr für die Arbeiter. Der alternde Dalee verliert allmählich sein Gedächtnis, er erkennt seine Mahut-Familie nicht mehr, wird launenhaft und aggressiv. Der Bulle verletzt Bellinis Vater schwer. Der Junge muss lernen, sich von seinem Freund zu verabschieden.

Abenteurer und Reisejournalist

Der 1978 geborene Autor Dennis Gastmann studierte Politik und Journalistik in Hamburg und arbeitete anschliessend als Filmemacher und Auslandreporter. Er bereiste die ganze Welt und erlebte dabei spannende Abenteuer. In Indien arbeitete er eine Zeit lang mit Elefanten und lernte die sowohl sensiblen als auch furchterregenden Tiere lieben und achten. Für seinen ersten Roman reiste er auf die Andamanen, erkundete ihre Geschichte als Strafkolonie und hörte von den Holzarbeitern und den schwimmenden Arbeitselefanten.

Dennis Gastmanns Roman bewegt sich zwischen Wahrheit und Fiktion. Bildreich und gefühlvoll beschreibt er das harte Leben auf dem abgelegenen Archipel, die Trauer eines Mahuts über seinen verstorbenen Elefanten und die enge Beziehung zwischen Mensch und Tier. Der Roman ist auch eine Parabel auf das Leben: Der Autor selbst musste lernen, seine geliebte, an Demenz erkrankte Grossmutter loszulassen.

Dank intensiver Recherche vor Ort gelang es Dennis Gastmann ausgezeichnet, über das Leben und die Kultur der indischen Bevölkerung, aber auch die Gier der «weissen Kolonialisten», die ohne Skrupel Mensch und Natur ausbeuteten und Raubbau betrieben, zu berichten. Die Leserin oder der Leser erfährt interessante Informationen über das Handwerk der Mahuts und über die exotische Vielfalt des andamanischen Dschungels. Gastmann lässt die Geschichte mit einem wundervollen, sehr stimmigen Ausklang enden.

Martina Küng, Gemeindebibliothek Heiden/Grub

 

 

 

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