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Mittsommertage : Roman / Ulrich Woelk. – München : C.H. Beck, 2023. (978-3-406-80652-0)
Erhältlich auch als Hörbuch und als E-Book unter www.dibiost.ch

Eine Woche im Leben einer Frau in mittleren Jahren, die kurz vor dem Zenit ihrer Karriere steht – dies der unspektakuläre Ausgangspunkt des Romans von Ulrich Woelk.

Es ist der Biss einer herumstreunenden Katze, der im berühmtesten Roman der amerikanischen Autorin Paula Fox, «Was am Ende bleibt», eine Ehekrise auslöst und den Auftakt zu allerlei beunruhigenden Ereignissen bildet. Wenn die Heldin in Woelks Roman auf ihrer morgendlichen Joggingrunde von einem Hund gebissen wird, fühlt man sich augenblicklich an die Geschichte von Fox erinnert.

 

«Mittsommertag» spielt im heissen Hochsommer 2022. Ruth Lember, eine erfolgreiche Mitfünfzigerin, ist Ethikprofessorin an der Humboldt-Universität in Berlin. Sie steht kurz vor der Berufung in den Deutschen Ethikrat. Ihr Ehemann Ben gewinnt einen wichtigen Architekturpreis. Seine Tochter, Ruths Stieftochter, ist vor kurzem ausgezogen und studiert Kommunikationswissenschaften in Leipzig.

Leider entzündet sich der Hundebiss. Ruth muss sich in den Notfall begeben und unvermittelt befindet sie sich in einer Situation, die zunehmend ausser Kontrolle gerät und sie in eine Horrorwoche katapultiert.

Konfrontation mit der Vergangenheit

In ihrer Vorlesung für die Erstsemestrigen sitzt ein Mann mit Maske – es ist der Pandemiesommer 2022 – und starrt sie an. Sie bemerkt ihn erneut im Bus, bis er sich schliesslich zu erkennen gibt. Es ist ihre Jugendliebe. Mit Stav (Abkürzung für Gustav) hat sie vor mehr als zwanzig Jahren einen Sabotageakt mit umweltpolitischem Hintergrund verübt. Ruth weiss, dass ihr Ex-Liebhaber ihre Karriere gefährden kann, da er Dokumente ihrer Aktivitäten besitzt. Soll sie zu ihrer Vergangenheit stehen, Ehe und Karriere gefährden, oder soll sie alles vertuschen und die Unterlagen verbrennen, die Stav ihr zurückgibt und es ihr überlässt, damit zu tun, was sie will?

Klärung

Zu allem Übel vermutet Ruth, dass Ben sie mit der jungen und schönen Architektin betrügt, die er neu eingestellt hat. Nach einer starken allergischen Reaktion auf das von ihr eingenommene Antibiotikum landet sie im Spital. Nach ihrer Entlassung verursacht sie auf der Heimfahrt einen Autounfall, den sie mit erstaunlicher Gelassenheit meistert. Als sie versucht, ihren Mann in seinem Büro zu erreichen, um mit ihm über alle durchgemachten Widrigkeiten zu sprechen, wird ihr schmerzhaft klar, dass Ben fremdgeht. Er und Jenny erfahren im Gegenzug von ihrer bewegten Vergangenheit als Aktivistin. Während Ben sich distanziert und enttäuscht gibt, bewundert Jenny ihre Stiefmutter, da sie sich selbst für Fridays for Future engagiert.

Jenny ist es auch, die die Dokumente aus Ruths Jugendzeit ins Netz stellt – mit unabsehbaren Konsequenzen für Ruths Karriere.

Nach einer Gewitternacht, die der unerträglichen Hitze der Woche ein Ende setzt und eine Art Katharsis einleitet, kommt es zwischen Ruth und Ben zu einer Auseinandersetzung, in der die schon lange vorhandenen Risse in ihrer Beziehung offenbar werden.

Anschaulich und packend erzählt Ulrich Woelk von einer Woche im Mittsommer, die ein ganzes Leben auf den Kopf stellt.

Cornelia Schmidli, Bibliothek Schwellbrunn

 

 



 

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