- Bibliothek Stein
- 18. Dezember 2025
Vor dem letzten Atemzug
Notizen zu einer Hinrichtung : Roman / Danya Kukafka ; aus dem Amerikanischen von Andrea O’Brien. – Berlin : Blumenbar, 2024. (978–3‑351–05121‑1)
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Ein Blick zurück
Ansel Packer wartet in einer texanischen Todeszelle auf seine Hinrichtung. Er hat nur noch wenige Stunden zu leben. Doch der Roman erzählt nicht in erster Linie seine Sicht. Stattdessen kommen die Frauen zu Wort, die ihm im Laufe seines Lebens begegnet sind. Sie zeigen, wie Ansel zu dem Menschen wurde, der er am Ende ist. Damit legt Danya Kukafka den Fokus nicht auf die Gewalt selbst, sondern auf die Menschen, die davon betroffen sind.
Eine dieser Frauen ist Lavinia, die Ermittlerin, die jahrelang an dem Fall gearbeitet hat. Sie möchte verstehen, warum manche Menschen schwere Verbrechen begehen. Ihre Gedanken lenken den Blick auf grössere Fragen: Wie entsteht Schuld? Welche Verantwortung hat die Gesellschaft? Und was bedeutet Gerechtigkeit, wenn ein Leben genommen wurde?
Wir treffen auch auf Reva, Ansels Mutter. Sie kämpft mit eigener Überforderung und schwierigen Lebensbedingungen. Kukafka beschreibt sie weder als Schuldige noch als Opfer, sondern als Teil einer Umgebung, die Ansel geprägt hat. Diese leisen und oft übersehenen Momente machen den Roman besonders eindrücklich.
Eine andere wichtige Figur ist Hazel, die Schwester seiner späteren Schwägerin. Sie erlebt, wie Ansel langsam in das Leben ihrer Familie tritt. Ihre Beobachtungen zeigen, wie schwierig es sein kann, gefährliche Menschen früh zu erkennen. Gleichzeitig wird spürbar, wie fest Schicksale miteinander verknüpft sein können.
Danya Kukafka schreibt ruhig und klar. Sie verzichtet auf grausame Details. Stattdessen zeigt sie, wie Gewalt entsteht und wie sie das Leben der Menschen verändert, die damit konfrontiert sind. Notizen zu einer Hinrichtung ist kein klassischer Kriminalroman. Es ist ein nachdenkliches Buch über Verantwortung, Trauer und die Frage, ob Strafe wirklich Antworten liefert.
Am Ende bleibt die Hinrichtung selbst fast im Hintergrund. Wichtiger sind die Stimmen der Frauen, die sich mit Ansels Leben auseinandersetzen müssen. Der Roman lädt dazu ein, nicht nur den Täter zu sehen, sondern alle, die mit den Folgen seines Handelns leben.
Jasmine Meier & Bianca Krucker, Bibliothek Stein AR