Elefanteninvasion in der Grossstadt

Das Ge­schenk : Ro­man / Gaea Schoe­ters ; aus dem Nie­der­län­di­schen von Lisa Men­sing. – Wien : Paul Zsol­nay Ver­lag, 2025. (978–3‑552–07574‑0)

Es ist ein ge­wöhn­li­cher Tag in Ber­lin, bis eine Hor­de Ele­fan­ten die Stadt flu­tet und das Cha­os aus­bricht. Nach­dem die Ein­fuhr von El­fen­bein nach Deutsch­land ver­bo­ten wird, lei­det Bots­wa­na un­ter ei­nem Ele­fan­ten­über­schuss und schickt kur­zer­hand 20’000 die­ser Tie­re nach Deutsch­land, wo sie eine po­li­ti­sche Kri­se aus­lö­sen.

«Ihr Eu­ro­pä­er wollt uns vor­schrei­ben, wie wir zu le­ben ha­ben. Viel­leicht soll­tet Ihr es ein­mal selbst ver­su­chen. Kommt bloss nicht auf die Idee, die Ele­fan­ten ein­zu­sper­ren. Sie müs­sen sich frei be­we­gen kön­nen und so viel Platz be­kom­men, wie sie brau­chen. Die Be­völ­ke­rung muss sich eben an­pas­sen. Schliess­lich ste­hen die­se Tie­re un­ter Ar­ten­schutz, also ist ihr Wohl­be­fin­den von al­ler­gröss­ter Wich­tig­keit…».

Schein­bar be­lang­lo­ser Re­gie­rungs­be­schluss ver­ur­sacht Staats­kri­se

Nicht ge­nug da­mit, dass die Tie­re den Ver­kehr still­le­gen und auf ih­rem Er­obe­rungs­zug eine Schnei­se der Ver­wüs­tung hin­ter­las­sen – selbst der Ele­fan­ten­dung wirft un­vor­her­ge­se­he­ne Schwie­rig­kei­ten auf. Doch wo­hin mit die­sen Gi­gan­ten? Die Re­gie­rungs­par­tei­en strei­ten sich dar­um, in wes­sen Zu­stän­dig­keits­be­reich die Pro­ble­me fal­len, wel­che die Tie­re mit sich brin­gen. Ele­fan­ten­quo­ten für die ein­zel­nen Bun­des­län­der wer­den fest­ge­legt – die rechts­po­pu­lis­ti­sche Op­po­si­ti­on ver­kün­det der­weil, der Ele­fant ge­hö­re zu Deutsch­land. Was mit ei­ner schein­bar un­be­deu­ten­den Ge­set­zes­än­de­rung an­ge­stos­sen wur­de, lässt sich nicht mehr un­ter Kon­trol­le brin­gen.

Hu­mor­voll und wort­ge­wandt

Im Ro­man «Das Ge­schenk» führt Gaea Schoe­ters im Kern wah­re Be­ge­ben­hei­ten wie das Ein­fuhr­ver­bot von Jagd­tro­phä­en ad ab­sur­dum. Da­bei übt sie auf poin­tier­te Wei­se Kri­tik am Prin­zip «Macht­er­halt vor Ge­mein­wohl» und ver­packt die­se brand­ak­tu­el­le The­ma­tik in eine mit­reis­sen­de Ge­schich­te. Mich per­sön­lich fas­zi­niert ihr leicht­füs­si­ger Gang zwi­schen Rea­li­tät und Fik­ti­on. Da­durch sind auch letz­te­re Ele­men­te glaub­wür­dig und die po­li­ti­sche Rea­li­tät er­scheint in ei­nem neu­en Licht. Mit ge­schick­ter Wort­wahl, ei­ner Por­ti­on Hu­mor und ei­ner Pri­se Sar­kas­mus würzt die flä­mi­sche Schrift­stel­le­rin ihre aus­ser­ge­wöhn­li­che Ge­schich­te. Der kom­pak­te Er­zähl­stil lässt die Span­nung hoch­hal­ten und fes­selt die Le­ser­schaft bis zum Schluss.

Un­gleich­ge­wicht der glo­ba­len Macht­ver­hält­nis­se

Mit ih­rem neu­en Ro­man knüpft Gaea Schoe­ters an den Er­folg von «Tro­phäe» an und wirft er­neut zen­tra­le Fra­gen auf: Wie ver­schie­ben sich glo­ba­le Macht­ver­hält­nis­se? Was un­ter­nimmt die Po­li­tik, und was ge­schieht, wenn un­ter­schied­li­che Le­bens­rea­li­tä­ten un­wei­ger­lich auf­ein­an­der­tref­fen?

Sys­tem­kri­tisch und un­ter­halt­sam spricht «Das Ge­schenk» Le­se­rin­nen und Le­ser je­den Al­ters an. Und wer sich die Quint­essenz zu Her­zen nimmt, wird bei Ge­set­zes­än­de­run­gen künf­tig nicht mehr leicht­fer­tig sein Ja ge­ben, son­dern Sze­na­ri­en wie das ei­ner Ele­fan­ten­ko­lon­ne, wel­che die Au­to­bahn stun­den­lang blo­ckiert, mit­be­rück­sich­ti­gen.

Mar­ti­na Küng, Ge­mein­de­bi­blio­thek Heiden/Grub