Hinter Glas und Himmelblau

Him­mel ohne Ende : Ro­man / Ju­lia En­gel­mann – Zü­rich : Dio­ge­nes, 2025. (978–3‑257–07323‑2)

Ei­ni­ge kürz­lich er­schie­ne­ne Ro­ma­ne han­deln von der Schwie­rig­keit des Er­wach­sen­wer­dens, von gros­ser Ein­sam­keit bis hin zur To­des­sehn­sucht. Die Au­torin­nen Pe­tra Pel­li­ni («Der Ba­de­meis­ter ohne Him­mel»), Ca­ro­li­ne Wahl («22 Bah­nen») und Ele­na Fi­scher («Pa­ra­di­se Gar­den») be­schrei­ben jun­ge Prot­ago­nis­tin­nen an der Schwel­le zum Er­wach­sen­wer­den. Auch der vor­lie­gen­de Ro­man han­delt von ei­ner schweig­sa­men Ju­gend­li­chen, die sich durch den nor­ma­len Wahn­sinn ih­res Schul­all­tags und ih­res Zu­hau­ses kämpft.

Hin­ter die Glas­schei­be ver­bannt

Char­lie fühlt sich, als wür­de sie hin­ter ei­ner un­sicht­ba­ren Schei­be le­ben – da­bei sein, aber nie da­zu­ge­hö­ren. Die Fünf­zehn­jäh­ri­ge träumt, schweigt und ver­liebt sich un­glück­lich in ih­ren Mit­schü­ler Mi­ko­laj, wäh­rend ihre bes­te Freun­din sich ab­wen­det und zu Hau­se al­les durch­ein­an­der­ge­rät.

Char­lie lebt seit ih­rem ach­ten Le­bens­jahr mit ih­rer Mut­ter, da ihr Va­ter die Fa­mi­lie sang- und klang­los ver­las­sen hat. Ihr liebs­ter Ge­sprächs­part­ner ist ihr Meer­schwein­chen. Sie fühlt sich un­ver­stan­den und lässt nie­man­den an sich her­an. Char­lies Ver­zweif­lung stei­gert sich ins Gren­zen­lo­se, als ihre Mut­ter ei­nen neu­en Mann ken­nen­lernt, ei­nen Ita­lie­ner, der im Re­stau­rant um die Ecke als Kell­ner ar­bei­tet und des­sen Ste­cken­pferd das Ver­glei­chen von Di­stan­zen zu sein scheint.

Un­er­war­te­te Ret­tung

Doch dann tritt Pom­mes, der ei­gent­lich Kor­ne­li­us heisst, in ihr Le­ben. Er ist das Ge­gen­teil von Char­lie: Of­fen, char­mant, fröh­lich kann er alle Her­zen für sich ge­win­nen. Die bei­den freun­den sich an und Char­lie traut sich zum ers­ten Mal, mit Pom­mes über all ihre Zwei­fel und Ängs­te zu spre­chen. Mit Pom­mes ist das Phi­lo­so­phie­ren über den Him­mel, des­sen Far­ben, das Klet­tern auf Dä­cher und das Nach­den­ken über den Tod mög­lich.

Nach und nach er­fährt Char­lie, dass auch bei Pom­mes nicht al­les so ein­fach ist, wie es scheint. In­fol­ge ei­nes tra­gi­schen Un­falls hat die­ser vor ei­ni­ger Zeit sei­ne äl­te­re Schwes­ter ver­lo­ren. Sei­ne Fa­mi­lie droht in­fol­ge die­ses ab­rup­ten Ver­lusts aus­ein­an­der­zu­bre­chen.

Der Ro­man um­spannt un­ge­fähr ein Jahr und zeich­net die viel­leicht zer­brech­lichs­te Zeit im Le­ben nach, in dem wir uns ent­schei­den, wer wir sein wol­len.

Auf­bruch

Der Traum von Pom­mes und Char­lie ist es, ein­mal ge­mein­sam nach Pa­ris zu rei­sen. Aber im­mer, wenn sie kurz da­vor­ste­hen auf­zu­bre­chen, kommt et­was da­zwi­schen. Als Pom­mes in ein Trai­nings­la­ger ver­reist und Char­lies Mut­ter von ih­rem neu­en Part­ner schwan­ger wird, ge­rät die Ju­gend­li­che voll­ends aus den Fu­gen.

Ju­lia En­gel­mann schil­dert meis­ter­haft eine Rei­se aus der Ein­sam­keit des In­nern ins Of­fe­ne. Schliess­lich ge­lingt es Char­lie nach und nach, sich zu öff­nen: Sie färbt ihre Haa­re blau, traut sich mehr zu, bricht ihr Schwei­gen.

Die Au­torin be­schreibt ei­nen Le­bens­ab­schnitt, in dem so­wohl al­les ge­lin­gen als auch miss­lin­gen kann. Ein be­rüh­ren­der Co­ming-of-Age-Ro­man, der in sei­ner schlich­ten Spra­che über­zeugt und auf eine fes­seln­de Art den Auf­bruch ins Le­ben zeigt.

Cor­ne­lia Schmid­li, Bi­blio­thek Schwell­brunn