Laut, kämpferisch und unangepasst – Frauen, die Geschichte schrieben

Re­vo­lu­tio­nä­rin­nen : Frau­en, die Ge­schich­te schrie­ben / Alex­an­dra Bley­er. – Dit­zin­gen : Re­clam, 2025. (978–3‑15–011413‑1)

«Zu al­len Zei­ten hat es Frau­en ge­ge­ben, die den Ge­gen­be­weis lie­fer­ten für die Theo­rie des Man­nes vom schwa­chen Ge­schlecht – von sol­chen Frau­en han­delt die­ses Buch», schreibt die His­to­ri­ke­rin Alex­an­dra Bley­er im Vor­wort zu zwan­zig span­nen­den Por­traits.

Mit der Zwei­deu­tig­keit des Buch­ti­tels setzt Alex­an­dra Bley­er eine wich­ti­ge Aus­sa­ge über die­ses Werk: Die­se Frau­en schrie­ben Ge­schich­te und sie schrie­ben dar­über, als Dich­te­rin­nen, Jour­na­lis­tin­nen, Leh­re­rin­nen. «Sie er­kann­ten in Wis­sen und Bil­dung eine ge­eig­ne­te Waf­fe im Kampf ge­gen Un­gleich­hei­ten und Un­recht. Sie setz­ten auf ak­ti­ve Öf­fent­lich­keits­ar­beit und Me­di­en­prä­senz, ohne die kei­ne so­zia­le Be­we­gung aus­kom­men kann», er­klärt Bley­er in ei­nem In­ter­view. Laut, kämp­fe­risch und un­an­ge­passt setz­ten sie sich für ihre Idea­le ein. Sie grün­de­ten Mäd­chen­schu­len, Zei­tun­gen und be­müh­ten sich dar­um, Gleich­ge­sinn­te zu fin­den, Or­ga­ni­sa­tio­nen zu schaf­fen und sich welt­weit zu ver­net­zen. Nicht im­mer wa­ren sie er­folg­reich und zahl­ten zu­wei­len ei­nen ho­hen Preis.

«Mann, bist Du fä­hig, ge­recht zu sein?» Mit die­ser Fra­ge von ei­ner Frau be­ginnt die Au­torin das ers­te Por­trait von Olym­pe de Gour­ge (1748–1793). Die Fran­zö­sin hat­te mit­ten in den at­lan­ti­schen Re­vo­lu­tio­nen der von füh­ren­den Män­nern aus­ge­ar­bei­te­ten Er­klä­rung der Men­schen­rech­te eine ei­ge­ne Ver­si­on ent­ge­gen­ge­setzt: «Die Frau wird frei ge­bo­ren und bleibt dem Mann gleich an Rech­ten.» Dies er­zeug­te da­mals Auf­re­gung, hat­te aber kaum Wir­kung. Aber Gour­ge wur­de da­mit zum Vor­bild für vie­le Nach­fol­ge­rin­nen für Grund- und Frau­en­rech­te, wie die Eng­län­de­rin Mary Woll­stone­craft und spä­ter das Power­paar, die US-Frau­en­recht­le­rin­nen Eliza­beth Cady Stan­ton und Su­s­an B. An­tho­ny, wel­che im Buch ei­nen ei­ge­nen Ein­trag be­kom­men.

Kom­pro­miss­los rot

Alle die­se Por­traits aus der gan­zen Welt sind in ih­ren je­wei­li­gen ge­schicht­li­chen Kon­text ein­ge­bet­tet, hän­gen zu­sam­men und ma­chen da­durch den Mut der Frau­en er­leb­bar, die ge­gen Se­xis­mus, Ras­sis­mus und so­zia­le Un­ge­rech­tig­kei­ten auf die Bar­ri­ka­den gin­gen. Be­rühmt­heit er­lang­ten sie für ihre aus­ser­ge­wöhn­li­chen rhe­to­ri­schen Fä­hig­kei­ten und ihre mu­ti­gen Ta­ten – so Rosa von Lu­xem­burg, die kom­pro­miss­los die rote Fah­ne hoch­hielt und da­für mit dem Le­ben be­zahl­te. Eben­so ist die fran­zö­si­sche Schrift­stel­le­rin Ge­org Sand welt­be­kannt für ihre un­kon­ven­tio­nel­len Lie­bes­ro­ma­ne und be­rüch­tigt für ihre Lieb­schaf­ten.

Nicht alle zwan­zig Frau­en blie­ben im Ge­dächt­nis. «Die Ge­schichts­schrei­bung war lan­ge Zeit männ­lich do­mi­niert», schreibt Bley­er. Ma­nue­la Saenz, die heiss­blü­ti­ge Schön­heit aus dem heu­ti­gen Ecua­dor, ver­band eine epi­sche Lie­bes­ge­schich­te mit dem Frei­heits­kämp­fer Si­mon Bo­li­var. Das brach­te ihr den Eh­ren­ti­tel Li­bert­ado­ra del Li­bert­ador (Be­freie­rin des Be­frei­ters) ein. Die Pa­zi­fis­tin Ber­tha von Sutt­ner (1843–1914), konn­te mit ih­rem Buch «Die Waf­fen nie­der!» ei­nen Welt­erfolg er­zie­len. In Chi­na rief Ki­shi­da To­shi­ko die Frau­en auf, sich ge­gen das Ein­bin­den ih­rer Füs­se und die drei­fa­che Un­ter­wer­fung un­ter Vä­ter, Ehe­män­ner und Söh­ne zu weh­ren. Der­weil stritt Vida Gold­stein in Aus­tra­li­en für das Frau­en­stimm- und Wahl­recht und er­reich­te, dass die Aus­tra­lie­rin­nen noch vor den Ame­ri­ka­ne­rin­nen ihre Rech­te er­lang­ten.

Ein Buch, fes­selnd, durch­dacht, vol­ler Über­ra­schun­gen und Aha-Er­leb­nis­sen.

Char­lot­te Kehl, Bi­blio­thek Spei­cher Tro­gen