Hallo du Schöne

Hal­lo, du Schö­ne : Ro­man /
Ann Na­po­li­ta­no ; aus dem Eng­li­schen von Wer­ner Lö­cher-Law­rence. – Köln : Du­Mont Buch­ver­lag, 2024. (978–3‑8321–6945‑9).

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Der neue gros­se ame­ri­ka­ni­sche Ro­man! Glanz­voll! Vie­le Wo­chen auf der New York Times Bes­ten­lis­te! Emp­foh­len auf der Ba­rack-Oba­ma-Le­se­lis­te23 und vom Op­rah-Win­frey-Book-Club! Das sind Lor­bee­ren, die viel Ge­fühl, Dra­ma, Cha­os und Herz­schmerz ver­spre­chen und sie hal­ten es auch – aber ge­konnt. Die Ge­schich­te er­zählt von Ge­mein­schaft und Zu­ge­hö­rig­keit, von tie­fer Ein­sam­keit und von Fa­mi­li­en­ban­den, die so­wohl Schutz als auch Fes­seln sein kön­nen.

Wil­liam Wa­ters kennt Ge­mein­schaft und An­er­ken­nung nur vom Bas­ket­ball­platz. Sei­ne El­tern, die über den Tod ih­rer klei­nen Toch­ter nicht hin­weg­kom­men, kön­nen das zwei­te Kind Wil­liam nicht an­neh­men, ohne an den un­er­träg­li­chen Ver­lust er­in­nert zu wer­den. Wil­liams ein­zi­ger Freund ist sein Ball, mit dem er täg­lich spielt und den der bis zu zwei Me­ter Her­an­wach­sen­de mü­he­los in den Bas­ket­ball­korb wirft.

Lie­be und Ab­hän­gig­keit

Was Fa­mi­lie sein könn­te, er­fährt er erst, als er auf dem Col­lege die tem­pe­ra­ment­vol­le Ju­lia Pa­da­va­no ken­nen­lernt und sich ver­liebt. Denn Ju­lia und ihre drei Schwes­tern sind un­zer­trenn­lich und füh­ren mit der re­so­lu­ten Mut­ter und dem sanf­ten Va­ter ein an­stren­gend chao­ti­sches Fa­mi­li­en­le­ben, eine Sym­bio­se aus Lie­be, Für­sor­ge und Ab­hän­gig­keit. Stau­nend wird Wil­liam ein Teil da­von. Of­fen­bar wis­sen hier alle, in ers­ter Li­nie Ju­lia, was sie wol­len – ganz im Ge­gen­satz zu ihm.

Ers­te Ris­se zei­gen sich, als sich die er­wach­sen­wer­den­den Schwes­tern nicht alle so ent­wi­ckeln wie er­war­tet. Der un­er­war­te­te Tod des Va­ters macht deut­lich, dass es der lie­bes­wür­di­ge Mann mit dem mit­tel­schwe­ren Al­ko­hol­pro­blem war, der die Fä­den der Lie­be in der Hand hielt, die nun lose her­ab­hän­gen. Auch nach dem Weg­gang der Mut­ter ge­ben die Schwes­tern ein­an­der noch Halt und freu­en sich ge­mein­sam an Ju­li­as Glück mit Wil­liam. Aber Ju­li­as ge­nau durch­dach­te Plä­ne be­zie­hen Wil­liams tie­fe Ein­sam­keit nicht mit ein, ihr Ehr­geiz er­drückt ihn und sei­ne De­pres­sio­nen wer­fen die ge­plan­te Zu­kunft über den Hau­fen. Die eins­ti­ge Fa­mi­lie zer­brö­ckelt und die vier Schwes­tern treibt es aus­ein­an­der – bis ein Schick­sals­schlag ih­ren al­ten Zu­sam­men­halt er­for­dert.

Ann Na­po­li­ta­no

Die Au­torin schreibt mit­reis­send und zärt­lich über tie­fe Fa­mi­li­en­ban­de mit al­len schwie­ri­gen und trös­ten­den Sei­ten. Was auf der ei­nen Sei­te Halt ver­spricht, schränkt auf der an­de­ren Sei­te ein. Wie weit reicht Loya­li­tät und wo be­ginnt To­le­ranz? Ohne sen­ti­men­tal zu wer­den, er­zählt sie die gros­se Ge­schich­te ei­ner Fa­mi­lie über ei­ni­ge Jahr­zehn­te hin­weg, über Lie­be und Tren­nung, über Schmerz und Hei­lung. Sie gibt sich nie mit ein­fa­chen Ant­wor­ten auf die emo­tio­na­len Schwie­rig­kei­ten ih­rer Fi­gu­ren zu­frie­den, ist psy­cho­lo­gisch ge­schickt und glaub­wür­dig. Ein Buch, das man nicht ver­las­sen möch­te!

«Hal­lo, du Schö­ne» ist der vier­te Ro­man von Ann Na­po­li­ta­no, die an der New York Uni­ver­si­ty stu­dier­te, aber der ers­te, der auf Deutsch über­setzt wur­de. Sie un­ter­rich­tet heu­te Li­te­ra­tur an ver­schie­de­nen Uni­ver­si­tä­ten. Sie war Mit­her­aus­ge­be­rin der Li­te­ra­tur­zeit­schrift «One Sto­ry» und wur­de im No­vem­ber 2019 für den Simpson/­Joy­ce-Ca­rol-Oa­tes-Li­te­ra­tur­preis no­mi­niert. Die Au­torin lebt mit ih­rer Fa­mi­lie in New York/Brooklyn.

Char­lot­te Kehl, Bi­blio­thek Spei­cher Tro­gen