Nessel und Knochen

Wie man ei­nen Prin­zen tö­tet : Ro­man / T. King­fi­sher ; Über­set­zung aus dem ame­ri­ka­ni­schen Eng­lisch von Jas­min Schrei­ber. – Köln : Eich­horn, 2023.
(978–3‑8479–0133‑4)

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Drei Auf­ga­ben. Drei un­mög­li­che Auf­ga­ben muss Mar­ra lö­sen, dann be­kommt sie von der Staub­frau die Hilfs­mit­tel, um ei­nen Prin­zen zu tö­ten. Nicht ir­gend­ei­nen Prin­zen – Mar­ra hat in ih­rem Le­ben weit bes­se­res zu tun, als Prin­zen zu tö­ten. Aber die­ser eine, die­ser Prinz Vor­ling, der muss ster­ben. Mar­ra sieht kei­nen an­de­ren Weg, um ihre Schwes­ter zu ret­ten und ne­ben­bei ihre Hei­mat vor dem Un­ter­gang zu be­wah­ren.

Als Prinz Vor­ling mit Da­mia ver­lobt wur­de, ju­bel­te der gan­ze Hof. Für Da­mia, die äl­tes­te von drei Schwes­tern, von de­nen Mar­ra die jüngs­te ist, geht ein mär­chen­haf­ter Traum in Er­fül­lung. Die Hei­rat ist al­ler­dings auch po­li­tisch mo­ti­viert. Mar­ras Stadt­staat hat das Pech, den ein­zi­gen tie­fen Ha­fen an der Küs­te zwi­schen zwei ri­va­li­sie­ren­den Kö­nig­rei­chen zu be­sit­zen. Je­des von ih­nen könn­te die Stadt samt Ha­fen ohne wei­te­res über­rol­len und ein­neh­men. Durch die Ver­bin­dung mit dem nörd­li­chen Kö­nig­reich ist die Zu­kunft von Mar­ras Staat ge­si­chert: Prinz Vor­lings Reich er­hält Zu­gang zum Ha­fen und bie­tet da­für aus­rei­chend Schutz im Fall ei­ner In­va­si­on des süd­li­chen Kö­nig­reichs.

Die Al­li­anz zwi­schen den Kö­nigs­häu­sern droht je­doch aus­ein­an­der­zu­bre­chen, als Da­mia ver­un­fallt: Bei ei­nem Trep­pen­sturz bricht sie sich das Ge­nick. Über­schat­tet vom po­li­ti­schen Druck ist die Trau­er­zeit nur kurz, und be­reits eine Jah­res­zeit nach der Tra­gö­die er­klärt sich Prinz Vor­ling be­reit, Mar­ras zweit­äl­tes­te Schwes­ter Ka­nia zu hei­ra­ten.

Prin­zes­sin auf Re­ser­ve

We­ni­ge Mo­na­te spä­ter geht Mar­ra in ei­nen Non­nen­kon­vent. Prinz Vor­ling will das so, da­mit Mar­ra nicht aus Ver­se­hen schwan­ger wird und ei­nen Er­ben zur Welt bringt, der den Thron des Kö­nig­reichs strei­tig ma­chen könn­te. Wäh­rend ih­rer Zeit als No­vi­zin ent­deckt Mar­ra so ei­ni­ges: Ihre Be­geis­te­rung für We­be­rei, was Di­plo­ma­tie und po­li­ti­sche Macht er­mög­li­chen und dass es bei der gan­zen Klos­ter­sa­che ei­gent­lich dar­um geht, sie als Re­ser­ve-Braut zur Hand zu ha­ben, falls auch noch Ka­nia ster­ben soll­te. Von ih­rer Schwes­ter er­rei­chen Mar­ra der­weil äus­serst be­un­ru­hi­gen­de Nach­rich­ten: Ihre ers­te Toch­ter er­liegt dem Fie­ber, das zwei­te Kind wird tot ge­bo­ren. Mar­ra ist da­von über­zeugt, dass Ka­nia sich da­bei ver­schleisst, dem Prin­zen ei­nen Er­ben zu ge­bä­ren. Und so fasst sie den Ent­schluss, Prinz Vor­ling zu tö­ten, um ihre Schwes­ter zu ret­ten.

Wie man ei­nen Prin­zen tö­tet…

…hat Mar­ra im Klos­ter nicht ge­lernt. Je­doch wer ihr hel­fen könn­te. Mar­ra schleicht sich aus dem Kon­vent und macht sich auf die Su­che nach der mäch­tigs­ten Staub­frau der drei Kö­nig­rei­che. Die Staub­frau – eine Art Kom­bi­na­ti­on aus Hexe und To­ten­grä­be­rin, die ab und an Dä­mo­nen in Hen­nen steckt – ist grund­le­gend prag­ma­tisch ver­an­lagt. Von Hel­den und epi­schen Ret­tungs­ak­tio­nen hält sie gar nichts. Um Mar­ra von ih­rem Be­stre­ben ab­zu­brin­gen, stellt sie drei un­mög­li­che Auf­ga­ben. Mit ei­ser­ner Be­harr­lich­keit ge­lingt es Mar­ra, den ver­lang­ten Man­tel aus Brenn­nes­seln zu nä­hen. So­gleich macht sie sich auf, für die zwei­te Auf­ga­be ei­nen Hund aus ver­fluch­ten Kno­chen zu bau­en. Viel­leicht schafft Mar­ra es auch, das Mond­licht in ei­nem Ton­tie­gel ein­zu­fan­gen?

T. King­fi­sher taucht tief in eine düs­te­re Welt voll mensch­li­cher Grau­sam­kei­ten ein, die an klas­si­sche Mär­chen er­in­nert. Eine fan­tas­ti­sche Ge­schich­te, die gleich­zei­tig auch sehr viel Herz, Hu­mor, Freund­schaft und Güte zeigt. Mensch­lich durch und durch und in al­len Fa­cet­ten.

Lau­rin We­gel­in, Bi­blio­thek Gym­na­si­um St. An­to­ni­us Ap­pen­zell