Können wir an eine schöne Welt glauben?

Schö­ne Welt, wo bist du : Ro­man / Sal­ly Roo­ney ; aus dem Eng­li­schen von Zoë Beck. – Ber­lin : Ull­stein Buch­ver­la­ge, 2021. (978–3‑546–10050‑2)

Er­hält­lich auch als Hör­buch un­ter:

Laut der Süd­deut­schen Zei­tung ver­steht Sal­ly Roo­ney wie kaum eine an­de­re Au­torin der­zeit, von der sub­jek­ti­ven Gleich­zei­tig­keit von Er­fah­run­gen zu er­zäh­len, die uni­ver­sell Sinn ma­chen und eine sehr gute Ge­schich­te er­zäh­len. 1991 in Dub­lin ge­bo­ren, stu­dier­te sie An­glis­tik. Nach­dem Roo­ney be­reits für meh­re­re ih­rer Kurz­ge­schich­ten aus­ge­zeich­net wur­de, ge­lang ihr mit dem Ro­man «Nor­mal Peo­p­le» der Durch­bruch als in­ter­na­tio­na­le Best­sel­ler­au­torin. «Schö­ne Welt, wo bist du» ist ihr drit­ter ver­öf­fent­lich­ter Ro­man. 

«Ihre Fra­gen wa­ren die­sel­ben. Denkst du an mich, warst du glück­lich, als wir mit­ein­an­der schlie­fen, habe ich dir weh­ge­tan, liebst du mich, wirst du mich im­mer lie­ben.»

Roo­ney be­glei­tet uns zwi­schen Dub­lin und ei­nem klei­nen Ort an der iri­schen Küs­te durch das Le­ben zwei­er Freun­din­nen. Ali­ce und Ei­leen ken­nen sich be­reits seit Kind­heits­ta­gen, um in Kon­takt zu blei­ben, schrei­ben sie sich re­gel­mäs­sig Emails.

Ali­ce, die Schrift­stel­le­rin, trifft auf Fe­lix. Ein jun­ger Mann der völ­lig ent­frem­det in ei­ner La­ger­hal­le ar­bei­tet. Zwei Men­schen, die bei­de eine Neu­gier­de für das Le­ben tei­len und von Zeit zu Zeit von ih­ren dunk­len Ge­dan­ken heim­ge­sucht wer­den. Sie ver­ste­hen ein­an­der, schen­ken sich ge­gen­sei­tig Hoff­nung und die Ge­bor­gen­heit, nach der sich bei­de seh­nen. Die An­zie­hung vom ers­ten Mo­ment an spür­bar, kämp­fen sie mit der Her­aus­for­de­rung, ein­an­der zu ver­trau­en.

Ali­ce’ bes­te Freun­din Ei­leen, hat ge­ra­de eine schwe­re Tren­nung hin­ter sich. Aber­mals fühlt sie sich zu Fe­lix hin­ge­zo­gen, ihr engs­ter Freund aus der Kind­heit. Im­mer mit­ein­an­der ver­bun­den, gin­gen sie die letz­ten Jah­re mehr ge­trennt als ge­mein­sam durchs Le­ben. Ihre Lei­den­schaft wächst je­doch. Die Fra­ge, ob ihre Lie­be den Ver­lust der Freund­schaft wert ist, bleibt ihr stän­di­ger Be­glei­ter.

Zwi­schen all ih­ren Pro­ble­men, Ge­füh­len und Er­leb­nis­sen ver­lie­ren die bei­den nie ihre nach­denk­li­che Sei­te. So schreibt Ei­leen in ei­ner ih­rer Emails: «Du wür­dest nicht glau­ben, wie lan­ge ich ge­braucht habe, um die­sen Ab­satz zu schrei­ben. Ich habe sol­che Angst da­vor, ver­letzt zu wer­den – nicht we­gen des Lei­dens, da­mit kann ich um­ge­hen, son­dern we­gen der De­mü­ti­gung des Lei­dens, die De­mü­ti­gung an­greif­bar zu sein. Und wäh­rend die Welt so ist, wie sie ist und die Mensch­heit sich an der Schwel­le ih­rer Aus­lö­schung be­fin­det, mit­ten­drin in al­lem, sit­ze ich hier und schrei­be dir schon wie­der eine Mail über Sex und Freund­schaft. Aber wo­für sonst soll man le­ben?»

Roo­ney bleibt in ih­ren Ge­schich­ten nicht beim Tri­via­len, son­dern gräbt tie­fer. Sie lässt der of­fen­sicht­li­chen Be­sorg­nis über un­se­re Ge­sell­schaft und de­ren Zu­kunft frei­en Lauf. Von der Kon­sum­ge­sell­schaft, über den Neo­ka­pi­ta­lis­mus, hin zu der Su­che nach wah­ren Ge­füh­len lässt sie nichts un­be­rührt. Sie nimmt uns mit auf eine Rei­se durch das Le­ben jun­ger Men­schen, die, auf der Su­che nach dem Schö­nen in die­ser Welt, nie ihre selbst­hin­ter­fra­gen­de Sei­te ver­lie­ren.

Es ist eine Ge­schich­te über den Raum zwi­schen Al­lein­sein und Ein­sam­keit und über die Frei­heit, sein Le­ben mit an­de­ren zu tei­len.

Sal­ly Roo­ney hält uns ei­nen Spie­gel vor, zeigt uns un­ser Le­ben in der heu­ti­gen Zeit und lässt uns bis zur letz­ten Sei­te ge­spannt ih­ren Wor­ten fol­gen.

Lena Graf, Me­dia­thek Kan­tons­schu­le Tro­gen