Violeta – eine Frau, ein Jahrhundert

Vio­le­ta : Ro­man / Isa­bel Al­len­de ; aus dem Spa­ni­schen von Sven­ja Be­cker. – Ber­lin : Suhr­kamp Ver­lag, 2022. (978–3‑518–43016‑3)

Er­hält­lich auch als Hör­buch und E‑Book un­ter:

Pünkt­lich zum acht­zigs­ten Ge­burts­tag Isa­bel Al­len­des er­scheint ihr neu­er Ro­man «Vio­le­ta». Al­len­de wur­de viel­fach für ihr Werk aus­ge­zeich­net. Vie­len Le­se­rin­nen und Le­sern ist sie mit ih­rem Erst­ling «Das Geis­ter­haus» (1984) be­kannt. Der neue Ro­man be­inhal­tet kri­tisch be­trach­tet we­der li­te­ra­risch noch in­halt­lich viel Neu­es. Es han­delt sich for­mal um ei­nen Brief­ro­man. Die hun­dert­jäh­ri­ge Hel­din er­zählt ih­rem En­kel Ca­mi­lo ihr Le­ben. Die­ses um­spannt ei­nen Welt­krieg, zwei Pan­de­mien – die Spa­ni­sche Grip­pe und Co­ro­na – so­wie po­li­ti­sche Wir­ren in Form von Dik­ta­tu­ren.

Die Jah­re 1920 – 1960

Vio­le­ta wächst im Haus der Ka­me­li­en in der Haupt­stadt Chi­les in­mit­ten ei­ner Gross­fa­mi­lie auf. Sie wird als ein­zi­ges Mäd­chen von sechs Kin­dern ver­hät­schelt und ver­zär­telt und erst von ei­ner iri­schen Gou­ver­nan­te «sa­lon­fä­hig» ge­macht. Der Va­ter sui­zi­diert sich auf­grund sei­nes Kon­kur­ses, der die Fa­mi­lie zwingt, aufs Land zu zie­hen und in ärm­li­chen Ver­hält­nis­sen zu le­ben. Vio­le­ta kann sich dort ent­fal­ten, wächst zu ei­ner schö­nen jun­gen Frau her­an, hei­ra­tet ei­nen Deut­schen und lässt sich schliess­lich auf­grund ei­ner lei­den­schaft­li­chen Af­fä­re, die sie vie­le Jah­re ih­res Le­bens in ei­nen Tu­mult der Ge­füh­le stürzt, schei­den. Sie zieht ei­nen Sohn und eine Toch­ter gross, die aus der Be­zie­hung mit dem schil­lern­den Julí­an stam­men.

Die Be­zie­hung ist von ei­ner Hass­lie­be ge­prägt. Ge­walt und Ver­söh­nung sind an der Ta­ges­ord­nung.

Die Jah­re 1960 – 2020

Das selt­sa­me Ver­hält­nis zu Julí­an steht in kras­sem Kon­trast zur Eman­zi­pa­ti­on Vio­le­tas in be­ruf­li­chen Be­lan­gen. Sie agiert sehr er­folg­reich im Im­mo­bi­li­en­ge­schäft. In ih­rer Ehe ist sie je­doch fremd­be­stimmt. Vie­le Schick­sals­schlä­ge er­schüt­tern ihr Le­ben. Un­ter an­de­rem ver­liert sie ihre Toch­ter auf­grund von Dro­gen­ex­zes­sen. Die­se hin­ter­lässt ihr ei­nen En­kel – der Adres­sat des Brief­ro­mans. Auch ihr Sohn geht ei­ge­ne Wege. In ei­ner wag­hal­si­gen Flucht ver­schlägt es ihn nach Nor­we­gen, wo er sein wei­te­res Le­ben ver­bringt. Von Julí­an trennt Vio­le­ta sich schliess­lich end­gül­tig. Die po­li­ti­schen Er­eig­nis­se er­for­dern schwer­wie­gen­de Ent­schei­de.

Vio­le­ta er­zählt ih­rem En­kel auch von den vie­len, zum Teil auch un­heil­vol­len Be­zie­hun­gen, die sie ein­ging. Am Schluss ih­res Le­bens an­ge­langt, stellt Vio­le­ta fest, dass «die Zeit ihr durch die Fin­ger ge­ron­nen ist».

Das Buch liest sich sehr ein­fach und ist span­nend, da es auch von Chi­les wech­sel­vol­ler Ge­schich­te und dem Welt­ge­sche­hen er­zählt. Auch wenn Al­len­de ver­sucht, Vio­le­ta als selbst­be­stimmt, hu­mor­voll und eman­zi­piert er­schei­nen zu las­sen, so ist sie bis­wei­len doch in ei­ner kon­ven­tio­nel­len Frau­en­rol­le ge­fan­gen. Ne­ben at­mo­sphä­risch sehr dich­ten Pas­sa­gen gibt es vie­le wich­ti­ge Er­eig­nis­se, die lei­der nur ge­streift wer­den. Den­noch lässt uns die Far­big­keit der Schil­de­run­gen Al­len­des und eine Ge­schich­te, die ins­ge­samt vier Ge­ne­ra­tio­nen um­spannt, in den nor­ma­len Wahn­sinn mensch­li­chen Da­seins ein­tau­chen und die Zeit ver­ges­sen.

Cor­ne­lia Schmid­li, Bi­blio­thek Schwell­brunn