Ein Agnes Tveit-Krimi im Fallschirmmilieu

To­des­fall : ein Agnes-Tveit-Kri­mi / Ran­di Fu­gleh­aug ; aus dem Nor­we­gi­schen von Chris­tel Hil­de­brandt. – Frank­furt am Main : Fi­scher Ver­lag, 2022. (978–3‑596–70556‑6)

Wäh­rend der Lek­tü­re von To­des­fall kommt mir in den Sinn, dass ein Kri­mi wie ein Fall­schirm­sprung ist – die Lan­dung muss pas­sen.

Über der wun­der­schö­nen Na­tur des nor­we­gi­schen West­lan­des stür­zen sich vier Frau­en für ei­nen For­ma­ti­ons­sprung in der nor­we­gi­schen Na­tio­nal­tracht aus ei­nem Flug­zeug. Die­se Er­öff­nung von Ran­di Fu­gleh­augs De­but­ro­man um die Jour­na­lis­tin Agnes Tveit ist spek­ta­ku­lär und in­spi­riert von der tat­säch­lich jähr­lich statt­fin­den­den Ex­trem­sport­wo­che in Voss. Um es vor­sich­tig aus­zu­drü­cken: Ganz so rei­bungs­los klappt es mit der oben­ge­nann­ten Cho­reo­gra­phie nicht. Eine der vier Frau­en, Ves­le­møy Li­land, die Mut­ter von klei­nen Zwil­lin­gen, bricht aus der For­ma­ti­on aus und stürzt un­ge­bremst auf die Erde. Die Ur­sa­che da­für ist ein sa­bo­tier­ter Fall­schirm.

Un­ter den scho­ckier­ten Zu­schaue­rin­nen und Zu­schau­ern ist auch Agnes Tveit, neu­an­ge­stell­te Re­por­te­rin bei der Lo­kal­zei­tung Horda­land. Sie wit­tert ei­nen Fall, in dem nach­zu­for­schen und dar­über zu be­rich­ten ihr loh­nens­wert scheint, zu­mal sie ih­ren einst­mals gu­ten Ruf als Jour­na­lis­tin wie­der­her­stel­len möch­te.

Agnes nimmt Kon­takt auf zu den drei Frau­en, die den Fall­schirm­sprung über­lebt ha­ben, um ei­nen Blick hin­ter die Tra­gö­die zu be­kom­men. Gro, Joni und Kath­ri­ne sind Ju­gend­freun­din­nen der ver­stor­be­nen Ves­le­møy. Agnes er­kennt, dass die Freund­schaft wohl nicht ganz ohne Dor­nen war, und alte Ge­heim­nis­se, wel­che auch das wei­te­re Um­feld und Voss be­tref­fen, kom­men zum Vor­schein.

In ih­ren Nach­for­schun­gen wird Agnes von ih­ren ei­ge­nen Pro­ble­men ab­ge­lenkt. Sie ist erst neu­lich aus Oslo zu­rück in die Hei­mat ge­kehrt und tut sich schwer da­mit, sich im west­län­di­schen Er­wach­se­nen­le­ben zu­recht­zu­fin­den. Mit im Ge­päck hat sie ih­ren Part­ner, den et­was do­mi­nan­ten und ent­ge­gen dem An­schein nicht ganz so per­fek­ten Fre­d­rik. Der Fun­ke in der Be­zie­hung ist er­lo­schen, und der un­er­füll­te Kin­der­wunsch be­schäf­tigt vor al­lem Fre­d­rik, wäh­rend Agnes ihre Lei­den­schaft eher für Fast­food als für ihn üb­rig­hat. Agnes kann gut als weib­li­che Aus­ga­be ei­nes An­ti­hel­den an­ge­se­hen wer­den, be­son­ders deut­lich kommt dies zum Vor­schein, als sie mit ei­ner Axt auf ei­nen neu­en Kin­der­wa­gen los­geht.

Der Ori­gi­nal­buch­ti­tel in Nor­we­gisch ist „fal­les­juke“, zu Deutsch Fall­krank­heit, ein al­ter Aus­druck für Epi­lep­sie. Vor­erst passt der Ti­tel zum Fall­schirm, aber im Ver­lauf wird klar, dass auch die Epi­lep­sie eine Rol­le im sich ent­fal­ten­den Kri­mi­nal­plot in­ne­hat.

Ran­di Fu­gleh­aug ist in Voss auf­ge­wach­sen und kennt sich in der Um­ge­bung of­fen­sicht­lich gut aus. So ge­lingt es ihr aus­ge­zeich­net, das Lo­kal­ko­lo­rit der Ge­gend glän­zen zu las­sen. Als Jour­na­lis­tin spürt man ihre Nähe zur Prot­ago­nis­tin.

Ge­gen den Schluss häu­fen sich die im­mer wie­der neu­en Hand­lungs­strän­ge, trotz­dem ist die Hand­lung schlüs­sig und die Lan­dung ge­lun­gen. Die Ge­schich­te nimmt sich Zeit, um sich zu ent­fal­ten, umso ra­san­ter fin­det der Kri­mi sei­nen Ab­schluss.

Der zwei­te Teil der Se­rie um Agnes Tveit er­scheint auf Deutsch im April 2023 – man darf ge­spannt sein!

An­drea Zür­cher, Bi­blio­thek Re­he­to­bel