Um ehrlich zu sein, als Killer bin ich eine Niete…

Ta­ge­buch ei­nes Kil­ler­bots : Ro­man / Mar­tha Wells ; aus dem Ame­ri­ka­ni­schen von Frank Böh­mert. – Mün­chen: Wil­helm Hey­ne Ver­lag, 2019. (978–3‑453–32034‑5)

Kil­ler­bot ist eine Se­cU­nit. Ein Kon­strukt aus Ro­bo­ter und or­ga­ni­schen Tei­len mit nur ei­ner Funk­ti­on: Din­ge zu tö­ten. Doch seit Kil­ler­bot ihr Chef­mo­dul ge­hackt hat, kann sie ihre pri­mä­re Pro­gram­mie­rung um­ge­hen und sel­ber Ent­schei­dun­gen tref­fen. Ei­gent­lich gibt es nichts Ge­fähr­li­che­res, als eine frei­dre­hen­de Se­cU­nit, die Be­feh­le der Fir­ma ein­fach igno­rie­ren kann – nach dem Ha­cken ih­res Chef­mo­duls hät­te Kil­ler­bot glatt zur Mas­sen­mör­de­rin wer­den kön­nen. Aber dann hat sie rea­li­siert, dass sie auf den kom­bi­nier­ten Feed der Un­ter­hal­tungs­ka­nä­le zu­grei­fen kann. Seit­dem ver­bringt Kil­ler­bot ihre Zeit lie­ber da­mit, Fil­me und Se­ri­en zu kon­su­mie­ren, an­statt als ge­fühl­lo­se Mör­der­ma­schi­ne durch­zu­dre­hen.

Das Ta­ge­buch von Kil­ler­bot be­ginnt in un­se­rer fer­nen Zu­kunft. Die Mensch­heit hat sich in der ge­sam­ten Ga­la­xis aus­ge­brei­tet. Me­ga­kon­zer­ne be­herr­schen und kon­trol­lie­ren alle Aspek­te der Ge­sell­schaft. Kil­ler­bot selbst ge­hört der Fir­ma, dem gröss­ten Kon­zern spe­zia­li­siert auf Si­cher­heits­dienst­leis­tun­gen und Be­gleit­schutz. Die Fir­ma darf na­tür­lich un­ter kei­nen Um­stän­den her­aus­fin­den, dass Kil­ler­bot ihr Chef­mo­dul ge­hackt hat. An­sons­ten wür­de sie so­fort ge­löscht. Also muss sie wei­ter­hin ihre Funk­ti­on als Se­cU­nit er­fül­len. Was in den Wor­ten von Kil­ler­bot be­deu­tet, dass sie ta­ge­lang rum­steht und ir­gend­wel­chen For­schen­den zu­sieht, wie die­se Bo­den­pro­ben neh­men und Stei­ne scan­nen. Doch als plötz­lich der Kon­takt zu ei­ner an­de­ren For­schungs­grup­pe aus­fällt, stellt sich her­aus, dass der Auf­trag um ei­ni­ges ge­fähr­li­cher ist als er­war­tet. Sa­bo­ta­ge, feh­len­de Da­ten, um­pro­gram­mier­te Mör­der­ma­schi­nen und ein skru­pel­lo­ser Kon­zern ma­chen es Kil­ler­bot nicht leicht, ihre Men­schen am Le­ben zu er­hal­ten. Nur durch ge­schick­tes Tak­tie­ren und Na­vi­gie­ren der Kon­zern­po­li­tik ge­lingt es Kil­ler­bot, die Frei­heit — und da­mit das Über­le­ben — ih­rer Men­schen­grup­pe zu ver­han­deln.

Als Dank kauft die For­schungs­grup­pe Kil­ler­bot der Fir­ma ab. Nicht mehr län­ger an den Kon­zern ge­bun­den, nutzt Kil­ler­bot die Ge­le­gen­heit und taucht un­ter. Denn ihre exis­ten­zi­ells­te Fra­ge ist nach wie vor un­be­ant­wor­tet: War­um Kil­ler­bot ihr ei­ge­nes Chef­mo­dul über­haupt ge­hackt hat. Die Er­in­ne­run­gen an den Vor­fall wur­den ge­löscht und Hin­wei­se fin­den sich wohl nur bei der Fir­ma sel­ber. Also be­ginnt für Kil­ler­bot die ge­fähr­li­che Rei­se tief ins Ho­heits­ge­biet des Kon­zerns. Ohne da­bei auf­zu­fal­len, denn als ver­meint­lich frei­dre­hen­de Se­cU­nit ist sie in der gan­zen Ga­la­xis ge­sucht. Aber das hat al­les noch ei­nen Mo­ment Zeit, schliess­lich muss­te Kil­ler­bot schon ziem­lich lan­ge dar­auf war­ten, sich end­lich Epi­so­de 397 von Auf­stieg und Fall des Wald­mon­des an­zu­se­hen.

Mit Ta­ge­buch ei­nes Kil­ler­bots ge­lingt es Mar­tha Wells aus­ge­zeich­net eine span­nungs­ge­la­de­ne Sci­ence-Fic­tion-Ge­schich­te mit köst­li­chem Hu­mor zu er­zäh­len. Ge­schrie­ben aus der Ich-Per­spek­ti­ve von Kil­ler­bot kann man sich als Le­se­rin oder Le­ser leicht in die ma­schi­nel­len Ge­dan­ken­gän­ge der Prot­ago­nis­tin hin­ein­ver­set­zen. Die Dis­kus­si­on mit ei­nem Na­vi­ga­ti­ons­com­pu­ter er­scheint dann ge­nau so na­tür­lich, wie die Fra­ge, was Men­schen mit ih­ren Hän­den an­stel­len, wenn es nichts zu tun gibt. Gilt es nur zu hof­fen, dass un­se­re Com­pu­ter nicht plötz­lich lie­ber Se­ri­en schau­en, an­statt E‑Mails zu ver­sen­den.

Lau­rin We­gel­in, Kan­tons- und Volks­bi­blio­thek Ap­pen­zell