Ergreifende Lebensgeschichte eines Strassenjungen in Hamburg

Do­mi­nik Bloh, Un­ter Pal­men aus Stahl : die Ge­schich­te ei­nes Stras­sen­jun­gen. – Wein­heim : Gul­li­ver von Beltz & Gel­berg, 2021. (978–3‑407–81256‑8)

Er­hält­lich auch als E‑Book un­ter:

Man be­geg­net ih­nen in der Stadt Ham­burg in U‑Bahnen, in be­leb­ten Ein­kaufs­stras­sen, in Parks, in den Aus­sen­be­rei­chen der Re­stau­rants. Sie bet­teln um Bar­geld, üb­rig ge­blie­be­ne Le­bens­mit­tel oder lee­re Pfand­fla­schen. Die vie­len Ob­dach­lo­sen ge­hö­ren zur Han­se­stadt wie der Ha­fen, die Ree­per­bahn und die ed­len Lu­xus-Bou­ti­quen.

Ei­ner von die­sen Ob­dach­lo­sen war Do­mi­nik Bloh. Als die­ser 16 Jah­re alt war, fand sei­ne Mut­ter, dass sie die Kon­flik­te zwi­schen ih­nen nicht mehr er­tra­ge, und warf den Jun­gen kur­zer­hand aus der Woh­nung — mit­ten im Fe­bru­ar. Da stand er in der Käl­te mit sei­nem Roll­kof­fer, der Spu­ren in der Schnee­de­cke hin­ter­liess, und klin­gel­te bei ei­nem Freund, der eine ei­ge­ne Woh­nung hat­te. Doch auch hier blieb die Tür für ihn ver­schlos­sen, und so floh der Teen­ager in die­ser Nacht im­mer nur noch zum nächs­ten war­men Platz. Am Mor­gen ging er in die Schu­le – wie an je­dem Mor­gen.

Da­mit be­ginnt das Buch von Do­mi­nik Bloh. In der Le­bens­ge­schich­te schil­dert er sei­ne Kind­heit und Ju­gend, die ge­prägt war von Ge­walt. Sei­ne Mut­ter – über­for­dert und psy­chisch krank – und sein Stief­va­ter strit­ten sich oft und hef­tig. Rich­tig glück­lich war Do­mi­nik nur bei sei­nen Gross­el­tern. Als die Fa­mi­lie 1996 weg von der Hei­mat nach Ham­burg zog, brach für den Jun­gen eine Welt zu­sam­men. Er fühl­te sich ent­wur­zelt und ent­frem­de­te sich im­mer mehr von sei­ner Fa­mi­lie, grün­de­te mit sei­nen Kum­peln eine Gang, fing an zu steh­len, Dro­gen zu neh­men und zu dea­len.

Nach sei­nem Raus­wurf aus dem El­tern­haus 2005 be­gann dann für Do­mi­nik Bloh mit 16 Jah­ren ein neu­es Le­ben zwi­schen Hun­ger, Käl­te und Ein­sam­keit als Ob­dach­lo­ser. Trotz sei­ner furcht­ba­ren Si­tua­ti­on be­such­te er re­gel­mäs­sig die Schu­le. Vor al­lem weil er sich dort ein Stück Nor­ma­li­tät be­wah­ren und sich im Schul­zim­mer ein paar Stun­den auf­wär­men konn­te, be­vor sein Über­le­bens­kampf auf der Stras­se wei­ter­ging.

Rund zehn Jah­re lang war Do­mi­nik Bloh im­mer wie­der ohne fes­ten Wohn­sitz, rutsch­te bei­na­he in die Kri­mi­na­li­tät ab. Er er­zählt, wie bru­tal und ent­wür­di­gend ein Le­ben auf der Stras­se für die Be­trof­fe­nen ist. Es ist wirk­lich be­mer­kens­wert, dass der jun­ge Mann den­noch die En­er­gie auf­brach­te, das Ab­itur zu meis­tern. Wäh­rend der Flücht­lings­kri­se 2015 schaff­te er es so­gar, in ein ge­re­gel­tes Le­ben mit Woh­nung und Ar­beit zu­rück­zu­fin­den. Mitt­ler­wei­le ist er Best­sel­ler-Au­tor und en­ga­giert sich sehr für Men­schen, die sein Schick­sal tei­len. Er gibt Ob­dach­lo­sen mit­tels vie­ler ver­schie­de­ner Pro­jek­te ein Stück Wür­de und eine Stim­me. Be­wun­derns­wert!

Mi­ri­am Hau­schildt, Ge­mein­de­bi­blio­thek Heiden/Grub