Ein Roman unter dem Himmel des Alten Landes

Va­le­rie Pau­ling, Der Him­mel ist hier wei­ter als an­ders­wo : Ro­man. – Ham­burg : Har­per­Coll­ins, 2021. (978–3‑7499–0104‑3)

Ganz ehr­lich: Mei­ne Auf­merk­sam­keit hat sich das Buch mit sei­nem som­mer­li­chen Co­ver ein­ge­fan­gen. Kirsch­blü­ten, Schwal­ben, Kir­schen und blau­er Him­mel. Der Klap­pen­text hat mich an­ge­spro­chen, und das Buch hat sich wie er­hofft als wun­der­ba­re Som­mer­lek­tü­re her­aus­ge­stellt. Die Ge­schich­te, die sich da­hin­ter ver­birgt, spielt im Al­ten Land, ei­nem Teil der Elb­marsch süd­lich der Elbe in Ham­burg und in Nie­der­sach­sen. Va­le­rie Pau­ling ge­lingt es äus­serst gut, durch ihre Be­schrei­bung der Land­schaft und ei­nes al­ten Gast­hofs samt sei­nem Gar­ten die Bil­der im Kopf ent­ste­hen zu las­sen. Fast wähnt man sich bei der Lek­tü­re im Lie­ge­stuhl un­ter den knor­ri­gen Obst­bäu­men am Steg oder in der Kü­che des al­ten Hau­ses. Da­durch, dass die Prot­ago­nis­tin viel mit dem Fahr­rad un­ter­wegs ist, wird die um­lie­gen­de Land­schaft aus der lang­sa­men Per­spek­ti­ve reiz­voll be­schrie­ben.

Als Fees Mann un­er­war­tet stirbt und ihr mit ih­ren vier Kin­dern kurz dar­auf auch noch die Woh­nung in der Stadt ge­kün­digt wird, ent­schliesst sie sich dazu, ei­nen al­ten, halb­ver­fal­le­nen Gast­hof zu kau­fen und aufs Land zu zie­hen. Zu­mal sie ihre Stel­le als Mu­si­ke­rin in ei­nem Or­ches­ter ver­liert, weil sie es nicht mehr schafft, ihr In­stru­ment zu spie­len. Ein­fühl­sam be­schreibt die Au­torin die Cha­rak­te­re der Mut­ter und ih­rer Kin­der. Sie schil­dert das Ein­le­ben in ei­ner gänz­lich neu­en Um­ge­bung und den Pro­zess der Trau­er­ver­ar­bei­tung, den je­des der Fa­mi­li­en­mit­glie­der auf sei­ne ei­ge­ne Art be­wäl­tigt. Na­tür­lich ge­lingt der Neu­an­fang nicht ganz rei­bungs­los, und Fe­li­ci­tas schafft es nur zö­ger­lich, Ver­trau­en in ihre Ent­schei­dun­gen zu ge­win­nen und Ver­ant­wor­tung für ihr Le­ben und das ih­rer Kin­der nach dem Tod ih­res Man­nes und de­ren Va­ter zu über­neh­men. Die Hand­lung nimmt schein­bar un­spek­ta­ku­lär ih­ren Lauf. Trotz­dem ge­lingt es der Au­torin ge­konnt, mir ih­rem Schreib­stil eine Art Sog zu er­zeu­gen, dem man sich schwer­lich ent­zie­hen kann.

Auch wenn die Dorf­be­woh­ner et­was über­spitzt dar­ge­stellt sind und durch­aus auch et­was kli­schee­haft da­her­kom­men, kippt die Er­zäh­lung nicht ins Kit­schi­ge, son­dern bleibt glaub­haft. Die sich an­bah­nen­de Lie­bes­ge­schich­te zwi­schen Fe­li­ci­tas und ih­rem Nach­barn ist zwar in­klu­si­ve der Um­we­ge ab­seh­bar, bleibt aber ab­so­lut im Rah­men des Er­träg­li­chen. Die Au­torin er­zählt eine be­rüh­ren­de Ge­schich­te über eine Fa­mi­lie und ih­ren Neu­an­fang, nach­dem ihre Welt ein­ge­stürzt ist und nicht mehr in Ord­nung ge­bracht wer­den kann. Na­tür­lich ist das Buch kei­ne be­son­ders an­spruchs­vol­le Lek­tü­re, aber zwi­schen­durch darf es durch­aus auch mal et­was Leich­te­res sein, und mei­nes Er­ach­tens ist Va­le­rie Pau­ling mit «Der Him­mel ist hier wei­ter als an­ders­wo» ein un­ter­halt­sa­mer und be­zau­bern­der Som­mer­ro­man ge­lun­gen. Va­le­rie Pau­ling hat in Ham­burg Ger­ma­nis­tik und Eth­no­lo­gie stu­diert. Sie wohnt am Rand des Al­ten Lan­des, wel­ches sie zu die­ser Ge­schich­te in­spi­riert hat.

An­drea Zür­cher, Bi­blio­thek Re­he­to­bel