Das Lächeln der Libellen

Pa­tri­cia Koel­le, Das Lä­cheln der Li­bel­len : Ro­man. – Frank­furt am Main : Fi­scher Ta­schen­buch, 2020. (978–3‑596–70528‑3)

War­um lä­cheln Li­bel­len im­mer? …

Juna, im mitt­le­ren Al­ter mit er­wach­se­nem Sohn, ist nach dem tra­gi­schen Ver­lust ih­res Ehe­man­nes in den Spree­wald zu­rück­ge­kehrt. Auf den Spu­ren ih­rer Kind­heit kämpft sie sich zu­rück in ihr Le­ben und ist auf der Su­che nach ih­rem künf­ti­gen Weg.
Lin­nea, eine jun­ge Frau und Re­dak­teu­rin bei ei­nem Fern­seh­sen­der, tut sich schwer da­mit, ver­las­sen wor­den zu sein und sucht nach Neu­ori­en­tie­rung in ih­rem Le­ben und ih­rem Be­ruf.

Die bei­den be­geg­nen sich in ei­nem Kran­ken­haus­zim­mer. Bei­de sind Pa­ti­en­tin­nen nach ei­nem Un­fall. Sie mer­ken, dass sie sich ge­gen­sei­tig Mut ge­ben und ein­an­der in­spi­rie­ren kön­nen. Ge­mein­sam be­ge­ben sie sich auf eine Rei­se vom Spree­wald über Stral­sund nach Hid­den­see. Sie wol­len dem Ge­heim­nis ei­nes gol­de­nen Li­bel­len­an­hän­gers, den Juna ge­erbt hat, nach­spü­ren.
Auf Hid­den­see fin­den sie ei­nen ver­ges­se­nen Gar­ten und Tim­mo, den Mönch ei­nes längst auf­ge­ge­be­nen Zis­ter­zi­en­ser­klos­ters. Bei­de, Gar­ten und Mönch, möch­ten sie zu neu­em Le­ben er­we­cken, jede auf ihre Wei­se. Und da­bei löst sich auch das Rät­sel um die gol­de­ne Li­bel­le. Alle drei fin­den sie wie­der ih­ren Platz im Le­ben.

… Weil sie wis­sen, wie kost­bar ein Tag ist.

An den Or­ten, die Pa­tri­cia Koel­le in ih­ren Bü­chern be­schreibt, fühlt man sich so­fort zu­hau­se und möch­te viel­leicht so­gar die nächs­ten Fe­ri­en dort ver­brin­gen. Ihre Er­zähl­kunst und bild­haf­te Spra­che be­rührt und in­spi­riert. Ob­wohl das Le­ben ih­rer Prot­ago­nis­tin­nen nicht frei von Ver­lus­ten und Ka­ta­stro­phen ist, strah­len ihre Ge­schich­ten aus, dass sich das Le­ben aus vie­len wert­vol­len Mo­men­ten zu­sam­men­setzt, dass man nur mit of­fe­nen Au­gen und Sin­nen un­ter­wegs sein soll. Die Au­torin be­schreibt Le­bens­qua­li­tä­ten, die ger­ne im All­tag ver­si­ckern und macht Mut, die­sen Glanz im ei­ge­nen All­tag zu su­chen oder wie­der zu fin­den. Es ist mög­lich, die­se Ge­schich­ten ein­fach zur gu­ten Un­ter­hal­tung zu le­sen. Wer aber möch­te, fin­det dar­in im­mer wie­der Sät­ze, die an­re­gen, zwi­schen den Zei­len wei­ter zu den­ken. Die Bot­schaft: «Das Le­ben ist gross­ar­tig, ver­gleich­bar mit Him­beer­saft­brau­se … süss und bit­ter gleich­zei­tig. Und das Pri­ckeln nicht zu ver­ges­sen! Nur wenn man es zu lan­ge ste­hen lässt, ohne es zu ge­nies­sen, dann wird es schal.»

Pa­tri­cia Koel­le ver­mag ein Auf­ge­ho­ben­sein im Le­ben zu ver­mit­teln, ein Ge­fühl von «es ist in Ord­nung, so wie ich bin». Ihre Bü­cher kön­nen viel Po­si­ti­ves ver­mit­teln in Zei­ten, die für die meis­ten nicht ein­fach sind. Sie er­mun­tern dazu, den Blick auf die klei­nen, zau­ber­haf­ten Din­ge im Le­ben zu len­ken und sie zei­gen, dass es sich lohnt, mit of­fe­nen Sin­nen ins­be­son­de­re auch durch die Na­tur zu ge­hen. «Die Men­schen sind so ver­schie­den, wie die Li­bel­len.» Steht an ei­ner Stel­le im Buch. «Sie sind alle schön, jede auf ihre Art.»

Si­mo­ne Vial, Kan­tons­bi­blio­thek Ap­pen­zell Aus­ser­rho­den