Kontakt zueinander schafft Gemeinsmkeit

Bas­ti­an Berb­ner, 180 Grad : Ge­schich­ten ge­gen den Hass. – Mün­chen : C.H. Beck, 2019. (978–3‑406–74244‑6).

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Der Jour­na­list Berb­ner er­zählt in sei­nem Buch Ge­schich­ten von Men­schen, die sich per­sön­lich be­geg­net sind und da­bei er­folg­reich ihre ei­ge­nen Vor­ur­tei­le über­win­den konn­ten. An­hand kon­kre­ter Si­tua­tio­nen schlägt der Au­tor den Bo­gen zu wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­sen.

Nach­rich­ten ma­chen Angst

Die Me­di­en spie­len eine wich­ti­ge Rol­le für die ge­sell­schaft­li­che Mei­nungs­bil­dung. Denn die Art und Wei­se, wie Sach­ver­hal­te dar­ge­stellt wer­den, be­ein­flusst, wie wir die Welt wahr­neh­men.

Ten­den­ziö­se Be­richt­erstat­tung be­wirkt nicht sel­ten Miss­ver­ständ­nis­se und trägt dazu bei, be­reits be­stehen­de ne­ga­ti­ve Ein­stel­lun­gen zu ver­stär­ken. Vor­ur­tei­le ent­ste­hen nicht zu­letzt dann, wenn wir uns vor Din­gen fürch­ten, die wir nicht aus dem ei­ge­nen Um­feld ken­nen. Das An­ders­ar­ti­ge macht uns Angst. Frem­den­feind­lich­keit, Se­xis­mus, An­ti­se­mi­tis­mus und Ho­mo­pho­bie sind gra­vie­ren­de ge­sell­schaft­li­che Pro­ble­me.
Un­se­ren All­tag ver­brin­gen wir in so­ge­nann­ten Fil­ter­bla­sen. Un­se­re so­zia­len Kon­tak­te be­stehen vor­wie­gend aus Per­so­nen mit glei­chem Er­fah­rungs­ho­ri­zont, in ähn­li­chen Le­bens­um­stän­den und mit ähn­li­chen Welt­an­schau­un­gen. Wir be­kom­men nur noch das zu hö­ren, was un­ser ge­fes­tig­tes Welt­bild be­stä­tigt und die be­reits vor­han­de­nen Über­zeu­gun­gen be­stärkt. Das Be­kann­te wird be­stä­tigt, das Frem­de bleibt fremd. Bis zum Mo­ment, in dem wir da­mit in Kon­takt kom­men.

Es ist bes­ser, als wir den­ken

Hoff­nungs­voll stimmt es ei­nen, dar­über zu le­sen, was pas­siert, wenn Men­schen an­de­ren Men­schen tat­säch­lich be­geg­nen, dass es im­mer wie­der ge­lingt, die ei­ge­ne Furcht und da­mit auch die ei­ge­nen Vor­ur­tei­le zu über­win­den. Zwi­schen­mensch­li­che Be­zie­hun­gen ge­lin­gen dank er­folg­rei­cher Be­geg­nun­gen. Per­sön­li­che Be­geg­nun­gen be­wir­ken Em­pa­thie. Wir füh­len mit und ver­ste­hen, dass uns als Men­schen letzt­lich mehr ver­bin­det, als uns trennt.
Bas­ti­an Berb­ner hat Bei­spie­le ge­fun­den, wo die so­ge­nann­te «Kon­takt­hy­po­the­se» er­folg­reich war. Die­se wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis aus den 1950er Jah­ren be­sagt, dass sich durch häu­fi­gen per­sön­li­chen Kon­takt zu Per­so­nen ei­ner eth­ni­schen Min­der­heit die Vor­ur­tei­le ge­gen­über die­ser Grup­pe ver­rin­gert.
Die Bei­spie­le, die der Au­tor nennt, sind völ­lig ver­schie­den, doch han­deln sie im­mer von ech­ten Be­geg­nun­gen zwi­schen Men­schen. Das Buch ge­währt Ein­bli­cke in un­ter­schied­lichs­te Le­bens­wel­ten. Wir be­geg­nen ei­nem deut­schen Ehe­paar, das sich trotz an­fäng­lich mas­si­ver Vor­ur­tei­le für eine Roma-Fa­mi­lie ein­setzt und die­se in ihr Herz schliesst.
Wir le­sen von ei­nem mu­ti­gen dä­ni­schen Po­li­zis­ten, der vor­be­straf­te jun­ge Mus­li­me zum Tee ein­lädt und ih­nen erst­mal zu­hört. Weil er die Er­fah­rung ge­macht hat, dass der per­sön­li­che Kon­takt mehr be­wirkt als jede An­ti­ter­ror­ein­heit. Weil er weiss, dass die Ein­bin­dung in die Ge­sell­schaft ei­ner Ra­di­ka­li­sie­rung vor­beugt.

Fa­zit

Ein durch­aus le­sens­wer­tes Buch von Men­schen die ihre Vor­ur­tei­le über­win­den. Viel­leicht ge­lingt es uns ja in die­sem noch so fri­schen Jahr auch, uns un­se­rer Un­si­cher­hei­ten, Ängs­ten und Vor­ur­tei­le be­wusst zu wer­den, sie aus­zu­blen­den und neu­gie­rig auf frem­de Per­so­nen zu­zu­ge­hen. In klei­nen Schrit­ten än­dern wir die Welt.

Bas­ti­an Ri­cken­ba­cher, Kan­tons­bi­blio­thek Ap­pen­zell Aus­ser­rho­den