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MEDIENTIPPS

Unsere monatlichen Tipps aus den Lokalzeitungen zum Nachlesen

 

Cuboro tricky ways. Erschienen bei Cuboro, Hasliberg Reuti, 2013.

Das jüngste Produkt der Cuboro AG ist ein strategisches Brettspiel für die ganze Familie, nachhaltig produziert aus heimischem Holz. Die Spielidee heisst: Der Weg ist das Ziel. Neue Wege entstehen durch Umordnen der Cuboro-Würfel. Je länger der Weg, desto wertvoller ist er. Cuboro, das geniale Kugelbahnsystem, wird zum unterhaltsamen Spiel für Gross und Klein. Das Spiel kann in zwei verschiedenen Schwierigkeitsstufen gespielt werden.

Pelzer, Dave J. Sie nannten mich „Es“ : der Mut eines Kindes zu überleben ; aus dem Amerikan. von Ulrike Ziegra. - München : Goldmann, 2000.
(ISBN 978-3-442-15055-7.)

Über den Autor: Der Autor Dave Pelzer wuchs mit seinen Eltern und seinen zwei Brüdern in Amerika auf. Seine Kindheit war von brutalen Schlägen und Misshandlungen geprägt. Der Autor kämpft nun für die Kinderrechte und hilft bei der Bekämpfung von Kindesmisshandlungen mit. Inzwischen hat er eine eigene Familie mit Kindern. Der Autor kann nun endlich ein richtiges Kinderlächeln und eine für uns normale Kindheit miterleben.

Um seine Geschichte über die Misshandlungen zu erzählen und weiter zu geben, schreibt Dave Pelzer die tragischen Erlebnisse seiner Kindheit überaus real und mitfühlend. Beim Lesen kann man die Emotionen des Autors stark spüren.

Über das Buch: Dave Pelzer wuchs bei seiner anfangs liebevollen Familie auf. Es wurde viel mit der Familie unternommen und der Stolz der Eltern über ihre drei Söhne war unübersehbar. Diese schöne Idylle hielt nicht lange an. Da sein Vater als Feuerwehrmann immer lange weg war, kämpfte Daves Mutter immer mehr mit ihren eigenen Problemen. Deshalb beginnt sie, ihren vierjährigen Sohn Dave zu misshandeln. Der Junge wächst in Angst um sein Leben und mit unzähligen Schlägen auf. Die Misshandlungen führen von ausgeschlagenen Zähnen über Verbrennungen durch Herdplatten, Schlafen in einem Hinterhof bis hin zum Essensentzug. Den kleinen Jungen belasten nicht nur seine äusserlichen Verletzungen. Dave wird in der Schule ausgestossen, weil er Essen klaut, damit er seinen Hunger stillen kann. Da er jeden Tag immer die gleiche Kleidung tragen muss, wird er auch wegen seinen Ausdünstungen gehänselt. Wasser bekommt der Junge nur im Zusammenhang mit einer Folter zu sehen. Nicht nur die Schulkameraden verstossen ihn, auch seine zwei Brüder wollen nichts mehr von ihm wissen. Dave wird mehr und mehr zu einem Tier, welches ums Überleben kämpft. Seine ganze „Familie“ schaute weg. Auch der zuvor einfühlsame und liebevolle Vater übersah jedes Leid des Jungen. Einzig die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schule wurden zu Verbündeten von Dave. Dank ihnen gelang es Dave Pelzer mit zwölf Jahren endlich aus seinem Elternhaus zu entkommen und durfte in einem Jugendheim einziehen.

Das Buch stimmt uns nachdenklich. Es ist eine stark berührende, wahre Geschichte, welche die Kindheit eines immer mehr eingeschüchterten Jungen erzählt.

Astrid Bucher, Bibliothek des Gymnasium St. Antonius Appenzell

Männergeschichten ; Hrsg.: Walliser Frauen schreiben. - Visp : Rottenverlag, 2007.
(ISBN 978-3-905756-19-7)

Frauenfeder – Männersilhouetten

Seit wenigstens 25 Jahren gibt es die "Frauenfeder". Über "Frauenliteratur" diskutieren wir schon bedeutend länger; aber dieser Begriff hat nie preisgegeben, ob es sich um Schöne Literatur für Frauen oder über Frauen-Figuren oder von Frauen-Schriftstellerinnen handle. Dass die Autorinnen aber, im Verband ihres Geschlechts und vermittels Anthologien, sich behaften lassen – das ist jüngeren Datums. Älter oder am ältesten dürfte der Blick auf Frauen nicht "der Feder", sondern "der Tat" sein, gerichtet während der Zwischenkriegsjahre auf Tun und Wirken herausragender Schweizerinnen, und zwar seit 1659: drei Leinenbände bei Rascher in Zürich, Erscheinungsjahre 1928/29, übrigens schnell in Zwei- und Dreitausender-Auflage verkauft.

Frauen erzählen
Sammlungen, worin explizit Frauen "erzählen" – oder "beschreiben" – oder "dichten", hatten rasch Konjunktur. Dtv (der Deutsche Taschenbuch Verlag) hat seit den endsiebziger Jahren gut und gern zwanzig Bändchen mit Konzentration aufs jeweilige Schrifttum von Frauen nach Ländern, Kontinenten, Grossstädten ediert; darin war vorsätzlich die weibliche Wahrnehmung der Wirklichkeit artikuliert, literarisch, feuilletonistisch oder essayistisch. Man darf den Gesichtspunkt "Frauen-Wirklichkeit" ganz wörtlich verstehen: 1988 verlegt G. Braun in Karlsruhe das Lesebuch "Schreibende Frauen"; 1997 erscheint Isabel Morfs Darstellung "Frauen beschreiben die Welt"; 2001 legt der Zürcher Limmat Verlag eine Chronik weiblicher Rollenbilder vor in Bezug auf "Frauen aus Zürich".

Frauenschreiben je Kanton
Unterdessen hat sich das Spektrum nochmals verengt. Der Raum, der in Betracht kommt, hat ganz genau noch Kantonsgrösse. Oder es hält, weil die Eingrenzung kompliziert ist, die Herausgeberschaft auf Kantonszugehörigkeit. Für Graubünden sind "Frauenleben" und "Frauenerinnerungen" niedergeschrieben worden (Oktopus, Chur). In Zürich ist voriges Jahr erschienen der Band "Glarnerinnen erzählen". Und in Visp hat jetzt, vor wenigen Wochen, ein Buch das Licht des Deutschwallis erblickt, welches mit seinem Thema zum Einsehen verlocken will: "Männergeschichten" sind sein Stoff. Zwar könnten einen die Voraussätze des Luzius Theler kopfscheu machen; aber darnach verrät der Text-Bestand viel über den Mann, das Männliche, die maskuline literarische Figur – stets aus frauen-schriftstellerischer Perspektive.

Arno, Jakob, Kornelius, Mann!
Überragend im Buch, dessen Copyright bei "Walliser Frauen schreiben" liegt, die Kürzesttexte der Bernadette Lerjen-Sarbach. Als einzige porträtiert sie nicht, mehr oder weniger bemüht, was Mannsbildern oder ihren Erfinderinnen geschieht, sondern legt Skizzen vor, Texte im Umfang von sechs bis 16 Zeilen, Vignetten also, die einen einzelnen Zug maskulinen Verhaltens aufs Tapet bringen. Trotz der Lakonie errät man einen Typ, einen Charakter, eine Gabe (ein Talent) oder ein Laster (eine Untugend). Dass Lerjen-Sarbach dies auf kaum Postkarten-Format zuwegebringt und dass solche Postkartentexte sowohl die Leserin als selbstverständlich uns Adressaten mit dem Namen N oder Titel X erreichen, das stellt gern ins Licht der Bücherausleihtheken.

Rainer Stöckli, Gemeindebibliothek Reute

Lindenbaum, Pija. Luzie Libero und der süsse Onkel : vierfarbiges Bilderbuch ab 5 Jahren und Erwachsene ; aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer. - Weinheim : Beltz & Gelberg, 2007.
(ISBN 978-3-407-79361-4.)

Luzie Libero mag Schlangen, Fussball, Leute beobachten und ihren Onkel Tommy, der mit ihr alles Mögliche und Unmögliche unternimmt... wenn Mama und Papa zum Beispiel auf Mallorca sind, findet in der Küche eine richtige „Speck-pfann-kuchen-back-aktion“ statt, oder wenn’s Luzie im und auf’m Kopf zu langweilig wird, findet Tommy könnte eine Farbänderung vielleicht genau das Richtige sein, denn ein buntes Leben, na ja... Nur dass bei ihren gemeinsamen Unternehmungen neuerdings immer auch dieser Günther dabei ist, passt Luzie überhaupt nicht. Aber weder Schmollen noch Sabotieren hilft, den widerlichen Angeber loszuwerden, der sogar bei Tommy zu wohnen scheint. Erst als ihr Onkel mit Grippe im Bett liegt, arrangiert sich Luzie mit Günther und merkt, dass er ja auch Vorzüge hat – denn im Gegensatz zu Tommy spielt er echt gut und gerne Fussball.
Von der schwulen Beziehung des Onkels erzählt Pija Lindenbaum ganz aus der Sicht der kleinen Luzie, also ohne sie zu benennen oder ihr ein Übergewicht zu geben. Es sind einfach zwei Männer, die zusammengefunden haben. Damit kann das Buch viel dazu beitragen, homosexuelle Lebensformen als integrierten Teil unserer Gesellschaft wahrzunehmen. Realistischerweise ist Luzie auch viel zu sehr mit der Abwehr des Eindringlings beschäftigt, als dass sie reflektieren könnte, was eigentlich los ist und welche Vorteile ihr das bringen könnte. Im Vergleich zu Pija Lindenbaums Franziska Büchern, „Franziska und die dusseligen Schafe“,  „Franziska und die Wölfe“ und „Franziska und die Elchbrüder“ ist die Erzählweise in Text und Bild nicht ganz so ausgefeilt, aber immer noch äusserst frech, frisch und witzig.
Pija Lindenbaum, die Illustratorin und Autorin des vorliegenden Bilderbuches ist 1955 in Nordschweden geboren. Nachdem die „Franziska Bücher“ sich innert Kürze als Geheimtipp einen Namen gemacht haben, ist es umso erfreulicher, dass sich die talentierte  Autorin und Illustratorin in ihrer frischen, direkten und unverblümten Art auch in unserer Gesellschaft noch delikateren Themen zuwendet. Ihre Bücher erscheinen in vielen Ländern. Derzeit hat ihr schwedischer Verlag sie mit der Neuillustration von Kinderbüchern von Astrid Lindgren beauftragt. „Mirabell“ eine ganz unbekannte Erzählung der schwedischen Autorin ist dieser Tage im italienischen Verlag MOTTAjunior erschienen.

Franziska Bannwart, Gemeindebibliothek Heiden

Grenville, Kate. Der verborgene Fluss. - München : Bertelmann, 2006.
(ISBN 978-3-570-00867-7)

Fast ein ganzes Jahr lang hatte die „Alexander“ sich mit ihrer Sträflingsfracht durch die Wellen des Ozeans gekämpft, jetzt war sie am Ende der Welt angekommen. Es gab kein Schloss an der Tür der Hütte, in der William Thornhill, deportiert im Jahre des Herrn 1806, seine erste Nacht in der Strafkolonie Seiner Majestät in Neusüdwales verbrachte. Schlösser, Türen, Wände, das alles wurde hier nicht gebraucht. In diesem Gefängnis bestanden die Gitter aus Tausenden und Abertausenden Meilen Wasser.
Aufgebaut auf diesen Hintergrund hat Kate Grenville (geboren 1950 in Sydney) ihren Roman über die Besiedlung Australiens durch die Europäer geschrieben. Sie lebte zeitweise in Europa und in den USA, seit 1983 wieder in Sydney.

Der Roman erzählt die Geschichte des Willi Thornhill, geboren im ausgehenden 18. Jahrhundert in einem der ärmsten Viertel Londons. Als Kind sind Hunger und Kälte seine ständigen Begleiter. Bis ihn, mit 15 Jahren, Mr. Middleton als Lehrling auf sein Schiff nimmt. Nach 7 Jahren härtester Arbeit bekommt er den Gesellenbrief und heiratet Sal, die er schon als Kind kannte. Die beiden arbeiten viel und verbringen eine glückliche Zeit mit ihrer kleinen Familie bis es in einem Winter sehr lange sehr kalt ist. Die Themse zugefroren, keine Arbeit, weitere Schicksalsschläge und die beiden verlieren bis auf ein paar Lumpen alles. Als es wieder Arbeit gibt, muss sich Will anheuern lassen, aber trotz strengster Arbeit vermag er seine junge Familie nicht zu ernähren. Gelegenheitsdiebstähle beim verladen der Frachten gehören für die Schiffer zum Alltag. Will wird erwischt, zum Tode verurteilt und durch Bittbriefe seiner klugen, kämpferischen Sal begnadigt.

Fast ein Jahr später geht in Neusüdwales das Schiff an Land. Zu dieser Zeit in England ein übliches und billiges Mittel, die neuen Kolonien zu besiedeln. Die Sträflinge müssen von Anfang an für sich und ihre Familie sorgen. Will beginnt wieder als Schiffer zu arbeiten, um so die grösser werdende Familie zu ernähren. Nach drei Jahren wird er freigesprochen und ist jetzt ein freier Mann. Von der Heimat trennt die Familie allerdings 10 Monate Schiffsreise und eine unerschwingliche Summe für die Schiffskarten.

Da ist nun einerseits Sals Traum von der Rückkehr in die Heimat, die sie in Erzählungen und Liedern ihren Kindern nahe zu bringen versucht. Andererseits Wills Traum von einem eigenen Stück Land am „verborgenen Fluss“, an dem er mit seinem Schiff bei Warentransporten immer wieder vorbeirudert. Er, der als Kind seine zerlumpte Decke mit den Geschwistern teilen musste, er, ein ehemaliger Sträfling, auf der untersten Stufe der Gesellschaft, kann in diesem Land, einfach ein Stück Boden sein eigen nennen und bebauen. Will und Sal einigen sich auf eine Zeitspanne von 5 Jahren. So beginnt das Leben in der Wildnis. Begegnungen mit den Ureinwohnern, teils amüsant und lustig, überwiegend aber unschöne Begegnungen.

Das ganze Buch ist in einer einfachen, sehr spannenden Sprache geschrieben und wunderschön zum lesen. Will und Sal lassen den Leser, ihre Liebe und Achtung zu sich und ihren Kindern, trotz aller Armut und harter Arbeit, allen Rückschlägen und unerfüllten Hoffnungen immer wieder spüren.

Ursi Kupferschmidt, Bibliothek Schwellbrunn

Jonuleit Anja. Das Wasser so kalt. - Köln : Emons Verlag, 2007. (Bodensee Krimi, Bd 1.)
(ISBN-10:3-89705-434-5)

Die Autorin und der Kommissar

Anja Jonuleit, 1965 in Bonn geboren, ist Übersetzerin und Dolmetscherin, arbeitete in New York, Bonn, Rom, Damaskus und München. Sie ist Mutter von vier Kindern und lebt seit 1994 selber am Bodensee.

Mit ihrem Krimi vom Bodensee hat sie eine glückliche Hand bewiesen. Obwohl der Leser schon von Anfang an sozusagen den Mörder kennenlernt, wird die Spannung doch durchs ganze Buch aufrechterhalten und man wird immer wieder auf falsche Fährten gelockt. Und der Herr Kommissar Sommerkorn braucht sich vor seinen Kollegen Brunetti, Wallander, Hunkeler und wie sie alle heissen, nicht zu verstecken. Auch er hat seine Eigenheiten, seine liebe Mühe mit dem Alleinleben und ist einem guten Gläschen nicht abgeneigt.

Der Winter am Bodensee
"Am Ufer angelangt, war sie einmal mehr überwältigt von dem Geheimnis, das der See in den stilleren Monaten immer noch barg, besonders an Abenden wie diesem, wenn der Föhn von einem leuchtend rosa Himmel dunkle Wolken aufbaute, sie vor sich hertrieb, zerriss und wieder zusammenfügte." Marie Glücklich heisst die Hauptfigur, aber dass Nomen nicht immer Omen ist, das zumindest weiss sie sicher. Frisch verlassen, stellen- und mittellos, kehrt sie aus München in ihre schwäbische Heimat zurück. Mit einem Dutzend Kisten, ein paar Möbeln und ihren Bildern bezieht sie das heruntergekommene Haus am Bodensee, wo sie einen Teil ihrer Kindheit verbracht hatte.

Nachts plagen sie Alpträume von ihrem treulosen Freund und dessen neuer Frau, tagsüber ist sie auf der Suche nach einem Job, unterstützt von einer ehemaligen Schulkollegin. Diese vermittelt ihr dann eine Teilzeitarbeit beim Institut für Demoskopie in Allenspach. Sie soll sich als Alleinstehende in eine Kontaktbörse im Internet einklicken und dort ein Inserat aufgeben. Langsam tastet sie sich an das Leben als "Single" heran, auch greift sie wieder zum Pinsel, um die winterliche Stimmung am See festzuhalten. Sie macht sich auch an die Renovation des alten Hauses und findet viel Befriedigung bei langen Märschen in der Umgebung. Aber was hat das alles mit der Leiche einer jungen Frau zu tun, die nicht weit vom Haus entfernt am Ufer des Bodensees gefunden wird? Auf diesen Fall ist der Kommissar Sommerkorn angesetzt, Bruder von Maries Freundin und ein ehemaliger Verehrer von Marie aus der Schulzeit. Was wäre auch ein Krimi, wenn es nicht zwischen den Beteiligten noch etwas knistern würde?

Dass die ganze Geschichte am Bodensee, sozusagen in unserer Nachbarschaft, spielt, macht die Sache für uns Leser aus der Ostschweiz irgendwie sympathisch. Zusammen mit Marie erleben wir die wechselnden Stimmungen am winterlichen See, bangen um ihre Sicherheit, wenn sie anonyme Anrufe erhält und bedroht wird und hoffen, dass sie bei ihren Treffen mit den Internet-Bekanntschaften nicht enttäuscht wird.

Wie meistens in Krimis, steht die Polizei am Anfang vor einer schweren Aufgabe, als Anhaltspunkte gibt es ein paar Gedichte über den Tod, die in der Wohnung des Opfers gefunden werden. Und ein Obdachloser steuert einen nicht unwesentlichen Teil zur Lösung bei, auch der Computer, respektive die Könner, die ihn bedienen, helfen kräftig mit und selbstverständlich ist auch Kommissar Zufall mit von der Partie. So geht auch diese Geschichte gut aus, sofern man nach zwei Morden von einem guten Ausgang sprechen kann!

Trudi Bänziger, Bibliothek Rehetobel

Hamilton, Hugo. Der Matrose im Schrank. - München : Knaus Verlag, 2006.
(ISBN 13: 978-3-8135-0239-8)

„Angeblich kommt man unschuldig auf die Welt, aber das stimmt nicht. Man erbt seine Identität, seine Vergangenheit. Wir haben unsere irische Vergangenheit und unsere deutsche Vergangenheit, wir tragen beides in uns wie eine Erbsünde. Wir schauen von Geburt an zurück, aber meine Mutter sagt, nun müssten wir in die Zukunft schauen. Man müsse sich die eigene Unschuld erst verdienen, sagt sie. Man müsse erwachsen werden, um unschuldig zu sein“.

Irland in den 60er-Jahren
Ein Sommer in einem Hafenstädtchen südlich von Dublin. Hugos Vater ist ein nationalistischer Ire, der seit seiner Studentenzeit einen erbitterten Kampf gegen alles Britische führt. So ist es in der Familie verboten, englisch zu reden. Für ihn ist es eine grosse Schmach, dass sein Vater im ersten Weltkrieg auf einem englischen Kriegsschiff starb. Er hält ihn für einen Verräter und verbannte das Bild des Matrosen mit den sanften Augen in den Kleiderschrank. Hugo hat grosse Sympathie für seinen Grossvater und möchte ihn aus dem Kasten befreien. Hugos Mutter floh als junge Frau aus dem kriegszerstörten Deutschland. Abge-schottet von der Umwelt wachsen die Kinder in den deutsch-irischen Erinnerungen der Eltern auf.

Doch in diesem Sommer will er den Erinnerungen entkommen; entkommen Vaters starren Regeln und Prügeln und den Geschichten über die Gräueltaten der Nazis. Es ist die Zeit des Abschieds von Vergan-genheit, von Krieg und Flaggen, von Schande – Abschied von der wunden Seele. Er will die Unschuld verdienen. Auf seine Weise widersetzt er sich dem Vater. Wenn er allein zuhause ist, hört er sich Beatles-Platten an oder er führt am Tisch Selbstgespräche in Englisch. Hugo findet Arbeit beim alten, eigensinni-gen Fischer Dan Turley. Der Hafen wird mehr und mehr sein Zuhause. Er befreundet sich mit dem coolen Aussenseiter Packer. Mit ihm fährt er auf die andere Seite des Landes, zu den Aran-Inseln. Zum ersten Mal fühlt er sich frei. Er kann sich an der Schönheit des Landes erfreuen, ohne es zu müssen. Er lernt sich und seine Geschichte zu akzeptieren.

Der Autor Hugo Hamilton
ist in Dublin 1953 als Sohn irisch-deutscher Eltern geboren. Er arbeitete als Journalist, bevor er mit Schreiben von Kurzgeschichten und Romanen begann. Bisher sind sechs Romane erschienen, wovon vier in deutscher Übersetzung von Henning Ahrens. In seinem mit vielen Preisen bedachten Bestseller „Ge-scheckte Menschen“ erzählt er von seinen Kindheitserinnerungen. Im vorliegenden „Der Matrose im Schrank“ schildert er in eindrücklichen Bildern das schwierige Erwachsenwerden. Es ist die Geschichte von Liebe und Hass zwischen Vater und Sohn, von Sehnsucht nach Heimat und eigener Identität. Mir gefällt das meisterhafte Erzählen - unsentimental und versöhnlich.

Elisabeth Siller, Bibliothek Herisau

Baudoin, Edmond. Die Reise. - Zürich : Edition Moderne, 1998.
(ISBN 3-907055-24-1)

Obwohl sich der 65-jährige Edmond Baudoin in Frankreich vom ewigen Geheimtipp zum Vorbild vieler französischer Comic-Zeichner entwickelt hat, wurde von ihm bis jetzt bedauerlicherweise nur Die Reise in die deutsche Sprache übersetzt. Dabei wäre sein Werk eine Fundgrube für alle am Autorencomic interessierten Comicfans.
Baudoin wuchs in einem abgelegenen französischen Dorf der Nachkriegszeit auf. Schon in seiner Kindheit zeichnete er zusammen mit seinem Bruder Piero. Diese Zeit verarbeitete er später in seinem autobiografischen Roman Piero. Da seine Eltern nur Pieros Studium an einer Kunsthochschule bezahlen konnten, wandte sich Edmond einem bürgerlichen Beruf zu. Er arbeitete sich in einem Unternehmen bis zum Personalchef hoch. Mit 33 Jahren gab er aber alles auf, um Comics zu zeichnen. Die Reise erzählt, leicht verschlüsselt, diesen Ausstieg.
Simon ist Mitte dreissig. Mit seiner Frau und seiner Tochter bewohnt er eine hübsche Wohnung in Paris. Beruflich hat er es recht weit gebracht. Und doch verlässt er eines Tages dieses wohlbehütete Leben. Er wird von bedrohlichen Bildern verfolgt, die sein Leben in den Grundfesten erschüttern. Um Simons Verletzlichkeit zu unterstreichen, greift Baudoin zu einem visuellen Trick. Er zeichnet Simon mit offener Schädeldecke, sodass die Bilder ungefiltert und mit ganzer Kraft in seinen Kopf eindringen können. Gespräche mit einer jungen lebensmüden Frau und einem alten Stadtstreicher verstärken Simons Wunsch, aus der Enge seines Lebens auszubrechen. Er flüchtet zum Bahnhof und besteigt den erstbesten Zug nach Süden. Schon bald merkt man, dass er sich nicht nur auf eine geografische, sondern auch auf eine innere Reise begibt. Er lässt sich treiben und entdeckt weit weg von der alltäglichen Normalität die kleinen Freuden des Lebens. Er trifft einen Puppenspieler und begleitet ihn auf seiner Tournee durch die Dörfer. Dabei lernt er Lea kennen und verliebt sich in sie. Dank ihrer Liebe gelingt es ihm, auf einer einsamen halsbrecherischen Bergtour wieder zu sich selbst zu finden. Danach beschliesst er, nach Paris zurückzukehren.
Baudoin zeichnete diesen Roman ursprünglich für den japanischen Verlag Kodansha. Daher kommt das für uns Europäer noch ungewöhnliche Format, das dem der Mangas angeglichen ist. Wie die japanischen Kalligraphen beherrscht Baudoin den Pinsel meisterlich. Manchmal fast roh, dann wieder äusserst zärtlich bringt er die ganze Palette menschlicher Gefühle zu Blatt. Weit weg vom Mainstream erzählt er leise unspektakuläre Geschichten von Freuden und Leiden der Menschen. Zu dieser Unaufgeregtheit passt, dass die Bilder fast immer in Schwarzweiss gehalten sind. Er arbeitet schnell, spontan und ohne Vorskizzen, was die Lebendigkeit seiner Bilder steigert. Diese Arbeitsweise kam ihm auch entgegen, als er während des Comic-Festivals Luzern 2005 Artist in Residence im Hotel Schweizerhof war und Tag für Tag seine Beobachtungen mit Pinsel und Tusche zu Papier brachte.

Kurt Sallmann, Appenzeller Bibliobahn

Glattauer, Daniel. Gut gegen Nordwind : Roman. - Wien : Deuticke Verlag, 2006.
(ISBN 978-3-552-06041-8)

Ein Buchstabe, ein einziger Buchstabe ist jeweils entscheidend. Am Anfang ist es ein E und am Ende ein I: „Lieber Herr Leike, das ist mir jetzt wirklich überaus peinlich. Ich habe leider einen chronischen „Ei“-Fehler, also eigentlich einen „E“ vor „I“-Fehler. Wenn ich schnell schreibe, und es soll ein „I“ folgen, rutscht mir immer wieder ein „E“ hinein. Es ist so, dass sich da meine beiden Mittelfingerkuppen auf der Tastatur bekriegen. Die linke will immer schneller als die rechte sein. Ich bin nämlich eine gebürtige Linkshänderin, die in der Schule auf rechts umgepolt wurde…“ Mit diesen Worten erklärt Emmi Rothner Leo Leike den Verschreiber in der E-Mail-Adresszeile, der sie, da die falsche Adresse nach erstmaliger Benutzung gespeichert war, fünfmal unfreiwillig in der fremden Mailbox landen liess.

Wiedererkennungsmoment
Es entsteht ein E-Mailwechsel, wie er auf die Schnelle entstehen kann: spontan, witzig, neckisch, ein kleiner schriftlicher Flirt, persönlich, offen, ein Austausch, der zum Schmunzeln verleitet und anschliessend in den Tiefen der Mailbox verschwindet – in der Regel wenigstens. In Daniel Glattauers Roman ist dies nicht der Fall: Der E-Mailwechsel geht weiter. Dem Autor gelingt es, auf 223 Seiten eine Geschichte zu erzählen, die aus ganz wenigem besteht: aus Schuhgrösse 37, aus einem Sprachpsychologen mit einer Schwester, aus Marlene, Mia und aus Bernhard. Die Neugierde am anonymen Gegenüber hält die Spannung aufrecht – das Interesse der beiden aneinander wird von Seite zu Seite gesteigert und findet sich unvermittelt in Sätzen wie: „Leo, ich hab Sie sehr, sehr gern.“ Eine Liebesgeschichte.

E-Mail-Roman
Nicht nur der Stoff, auch das Genre ist altbekannt. Der Briefroman erlebte im 18. Jahrhundert eine Blütezeit (Rousseau, Nouvelle Héloise; Goethe, Werther). Wie im Briefroman weiss der Leser auch im E-Mail-Roman nicht mehr als die erzählenden Personen und erfährt von diesen in abwechselnder Perspektive die Handlung. Im Unterschied zum Briefroman hat der E-Mail-Roman etwas Neues und Faszinierendes: Der Faktor Zeit kann effektvoller eingesetzt werden. Und genau dies macht eine der Stärken des Romans aus: Kurze E-Mails im Abstand von wenigen Sekunden und Minuten geben eine gesprächsähnliche Situation wieder, während eine Nicht-Antwort nach Tagen und dreimaligem Nachfragen zum offensichtlich entrüsteten „Arschloch!“ führen kann. Die Betreffzeile bleibt oft leer; Leos E-Mail-Programm generiert bei einer Antwort automatisch ein AW, während Emmis E-Mail-Programm ein RE erzeugt. Wird die Betreffzeile genutzt, so steht „Offene Fragen“, „Prost“, „Endlich gesendet“ oder „Verrat“.

Kommunikationskunst
„Schreiben Sie mir, Emmi. Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf.“ – Treffender und für unsere Zeit symptomatischer könnte es nicht gesagt werden. Im Zeitalter der individuellen Reisen im Netz hat die Schriftlichkeit als Medium des neutralen Ausdrucks ohne soviel von sich preisgeben zu müssen, dass man „ertappt“ wird, eine besondere Bedeutung erlangt. Die Hemmschwelle, sich konkret und sehr persönlich auszudrücken, ist niedrig. Es ist nicht die Stimme, nicht die Mimik und Gestik, nicht die Augenfarbe, die Haarfarbe oder das Outfit, nicht einmal das Alter, das vom Gegenüber wahrgenommen werden kann. Der Austausch bleibt auf die Ebene von Buchstaben, Wörtern und Sätzen beschränkt, und die Person, die dahinter steckt, kann, so sie es will, ihre Anonymität wahren. Sie muss auch nicht sofort reagieren, wie dies in einer realen Gesprächssituation der Fall ist, – und vor allem muss sie kein Augenzwinkern, kein herzerfrischendes Lachen, keinen teilnahmslosen Blick oder keinen Geruch, der vielleicht sehr oder überhaupt nicht behagt, richtig einordnen und in die Kommunikationssituation miteinbeziehen. Es ist also nur das geschriebene Wort, das die Neugierde am jeweils anderen weckt, eine einzige Dimension im Kommunikationsgeflecht, und diese eine Dimension bringt es fertig, Leidenschaft zu entfachen. „Das ist Kommunikationskunst auf höchstem Niveau“, steht auf dem hinteren Umschlagdeckel. Diese Aussage ist in jeder Hinsicht zu unterstreichen.

Heidi Eisenhut, Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, Trogen

Flannery, Tim Fridtjof. Wir Wettermacher : wie die Menschen das Klima verändern und was das für unser Leben auf der Erde bedeutet. - Frankfurt a. M. : S. Fischer Verlag, 2006.
(ISBN 978-3-10-021109-5)

Die jüngsten Wetterkapriolen in der Schweiz und im Ausland zeigen deutlich, dass die „Klimaveränderung“ nicht länger mehr nur ein Hirngespinst einiger Wissenschaftler, Umweltschützer oder Pessimisten sein kann.

Tim Flannery, selbst Zoologe und Wissenschaftler in Australien, entdeckte erste Zeichen schleichender Veränderungen in seinem eigenen Erdteil. Dadurch sensibilisiert, begann er wissenschaftliche Forschungsergebnisse, eigene Beobachtungen und handfeste Beweise zusammenzutragen und zu vernetzen.
In seinem Buch beschreibt er in klarer, verständlicher Sprache das komplexe System unserer Erde mit der dazugehörenden Atmosphäre und deren gegenseitiger Zusammenhänge und Abhängigkeiten. Seine Erkenntnisse beruhen auf sorgfältigen, weltweiten Recherchen, einleuchtenden Begründungen sowie untrüglichen Tatsachen und Beweisen.

Er stellte fest, dass das CO2, als häufigstes Treibhausgas, mit Sicherheit eine globale Erwärmung bewirkt, da es ca. 180 Jahre in der Atmosphäre bleibt und von dort nicht entfernt werden kann. 80% der Treibhausgase entstehen durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe. Durch das weltweite Bevölkerungswachstum werden diese Gase noch markant zunehmen.

In eindrücklicher Weise erfahren die Leser, dass die Klimaerwärmung aber nur der Auslöser einer gigantischen Kettenreaktion von Ereignissen ist, die in der ganzen Welt unterschiedlich spürbar sind oder noch werden. Aus den Beispielen mit fatalen Folgen für die Menschen sollen hier nur einige genannt sein: Die Abschmelzung des Eises an den Polen führt längerfristig zur Verlangsamung oder gar zum Versiegen des Golfstroms, die Veränderung der Niederschlagsmengen ist in Australien und Amerika als zunehmende Süsswasserknappheit zu spüren, die Austrocknung der Regenwälder im Amazonasgebiet bedrohen die Existenz von Mensch und Tier dieser Gegenden. Nur der minime Anstieg der Nebelgrenze im Regenwald von Costa Rica bewirkte bereits das Aussterben der Goldkröte.

Tim Flannery möchte mit seinem Buch aber nicht Angst und Schrecken verbreiten, sondern die Menschheit aufrütteln, den Tatsachen ins Auge zu blicken und vor allem zu handeln! Nach seinen Berechnungen müssten 70% der CO2 – Emissionen abgebaut werden, um bis ins Jahr 2050 das Klima auf der Erde wieder auszugleichen.
Er zeigt Möglichkeiten und Lösungswege auf, wie mit erneuerbaren Energien, z.B. Solarstrom oder mit Gas, Wasserstoff usw. an Stelle von Benzin und weiteren Anstrengungen dieses hoch gesteckte Ziel, ohne wirtschaftliche Folgen, durchaus erreichbar wäre. Natürlich müssten vor allem die Staatschefs, Politiker sowie die Verantwortlichen der Öl- und Kohleindustrie die Situation ernst nehmen und dazu beitragen, unseren Nachkommen eine lebenswerte Erde zu erhalten!

Irene Graber, Annamaria Furrer, Jakob Preisig, Bibliothek Grub

 

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