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Vendela Vida, Des Tauchers leere Kleider : Roman. – Berlin : Aufbau, 2016. (978-3-351-03629-4)

Gestohlene Existenz

Eine junge Amerikanerin flüchtet vor ihrer Vergangenheit nach Marokko. Sie ignoriert den Tipp ihres Reiseführers, der rät: «Das Erste, was man bei der Ankunft in Casablanca tun sollte, ist, Casablanca zu verlassen.» Und tatsächlich scheint es die auserwählte Stadt nicht gut zu meinen mit der Frau. Beim Einchecken ins Hotel wird der Touristin ihr eigens für die Reise neu gekaufter Rucksack und damit auch ihr Pass, ihr Geld, ihre Kreditkarten, ihr Laptop und ihre Fotoausrüstung entwendet. Ihre ganze Existenz scheint mit diesem Diebstahl ausgelöscht. Panisch wird die Polizei gerufen und die Kreditkarte gesperrt. Auch das Überprüfen des Überwachungsvideos der Hotelhalle bietet keine Hilfe. Der einsamen Frau bleiben nur ihr Koffer mit ein paar Kleidern sowie die Ungewissheit.

Nach einer ruhelosen Nacht wird sie aufgefordert, sich zur Polizeiwache zu begeben, man habe ihren Rucksack gefunden. Es ist allerdings der Rucksack einer fremden Frau, der ihr ausgehändigt wird. Darin enthalten sind Papiere, Kreditkarten und ein Tagebuch. Was bleibt der namenlosen Heldin anderes übrig, als die Sachen anzunehmen und in eine neue, selbst erfundene Identität der Unbekannten zu schlüpfen? Ein turbulentes Verwirrspiel in der fremden Stadt nimmt seinen Lauf. Nach und nach erfährt der Leser auch mehr über die traurige Vergangenheit der einsamen Kämpferin. Diese wiederum findet von der Last des eigenen Ichs befreit mehr und mehr zu sich selbst.

Vendela Vida

Bisher war Vendela Vida vielen nur bekannt als die Frau des Bestsellerautors Dave Eggers (The Circle). Mit ihm zusammen hat sie eine Tochter und einen Sohn. «Des Tauchers leere Kleider» ist allerdings bereits ihr vierter Roman. Die Idee zum Buch lieferte ihr eine eigene Erfahrung. Denn genau wie der gebrochenen Heldin im Roman wurde ihr auf einer Reise die Tasche mit Laptop, Geld, Papieren und Handy gestohlen. Alles andere im Roman ist erfunden.  «Des Tauchers leere Kleider» handelt von Betrug und Verletzung in der eigenen Familie, das Buch ist traurig und dann auch wieder unfassbar lustig. Die ganze Geschichte ist in «Du-Form» geschrieben, sie liest sich wie ein Selbstgespräch. Der poetische Titel – einem Gedicht des persischen Dichters Rumi entnommen – spricht ebenso an wie das schön gestaltete Cover, beides passt hervorragend zur Geschichte.

Miriam Hauschildt, Bibliothek Heiden/Grub

 

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