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Kronauer, Brigitte. Verlangen nach Musik und Gebirge : Roman. - Stuttgart : Klett-Cotta Verlag, 2004.
(ISBN

Nach Oostende geht die Fahrt, in die „baugrubengraue“ Stadt am Meer, wo sich hinter „endlosem Häuserwall die Bevölkerungen des Kontinents dahinter stauen und ducken“. Ein misanthropischer Roman von Brigitte Kronauer ? Nein, im Gegenteil. In ihrem neuen Roman  Verlangen nach Musik und Gebirge  führt sie ihre Protagonisten in die Welt des flämischen Malers James Ensor (1860 – 1949). Auf seinen Spuren wandelt gleichsam entsprechend seinem Bild  DIE SELTSAMEN MASKEN , welches auch als Bildmotiv des Buchumschlags dient, eine recht irrwitzige Gesellschaft. Roy, der hinkende Jurastudent aus Leipzig, begleitet sein altes Grossmütterchen, welche ihn auch finanziell unterstützt, jedoch sehr bald lästig fällt angesichts seiner Vorliebe für eine junge Italienerin mit Schwanenhals. Diese wiederum wird begleitet vom ansehnlichen Maurizio, der seinerseits die Aufmerksamkeit von Willaert, einem Antwerpener Parfumeur und Bonvivant auf sich zieht. Ebenfalls mit von der Partie: de Roukl, der Schabrackenmolch, erfolgloser Künstler und Hypochonder sowie Frau Fesch, alter ego der Autorin und sensible Beobachterin des Maskenspiels. „Warum spioniert sie uns denn so nach?“ Gegen den Augenschein Frau Fesch schreibt an einem Libretto – nur die Musik fehlt noch dazu. Dieses wird sodann von Willaert eindrücklich vorgetragen. Er führt seine Mitreisenden zudem zu den Wirkungsstätten des Malers und ans Meer. Dabei werden die Beziehungen der Protagonisten untereinander immer diffuser – kein Gefühl ist eindeutig, aber allen ist eine grosse Sehnsucht zueigen. Was die so reden Brigitte Kronauer versteht es meisterhaft, ihren Figuren Geschichten anzuziehen und Sehnsüchte in sie hineinzuprojezieren. „Es geht mir nie um authentisches Erzählen. Ich schreibe gegen den Alltagsjargon“. Ihr grosses Vorbild ist Joseph Conrad, nach dessen Aussage  Literatur, Kunst und Musik die Welt erträglich machen. Dieses Motto hat auch Brigitte Kronauer für ihren neuen Roman gewählt und fügt hinzu: „... zu ertragen als Begleitumstand einer Liebe.“ Zum Schluss hat sich augenfällig nichts geändert, oder doch ? Schliesslich hat ein jeder mit seinen inneren Dämonen gekämpft und seelische Spuren davongetragen - so wie im rechten Leben, also doch authentisch.

Gisela Bischofberger, Bibliothek Rehetobel

 

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