Alles inklusive

Do­ris Dör­rie, Al­les in­klu­si­ve : Ro­man. – Zü­rich : Dio­ge­nes, 2011. (978–3‑257–06781‑1)

Als Le­se­rin oder Le­ser ler­nen wir die klei­ne Ap­ple un­ter der spa­ni­schen Son­ne ken­nen. Ge­nau dort tref­fen wir sie Jah­re spä­ter wie­der an, als sie er­wach­sen ist.

Ap­ple, das ist der Name, den die Hip­pie­mut­ter In­grid für ihre Toch­ter aus­ge­sucht hat. Man kann sich vor­stel­len, dass das App­les Mit­men­schen sehr be­lus­tigt. Da­bei ist App­les Le­ben al­les an­de­re als er­hei­ternd. Als Kind ver­bringt sie die Som­mer mit ih­rer Mut­ter in Spa­ni­en, wo die­se ih­ren selbst ge­mach­ten Schmuck ver­kauft, um Geld zu ver­die­nen. In Spa­ni­en zu sein heisst für Ap­ple nicht, am Pool zu plan­schen mit an­de­ren Kin­dern, Eis zu es­sen oder Sand­bur­gen zu bau­en.

 Ap­ple und ihre Mut­ter schla­fen in stin­ken­den Schlaf­sä­cken im Zelt. Aus­ser­dem hasst Ap­ple die spa­ni­sche Som­mer­hit­ze, die ihr schon mor­gens auf den Kopf brennt und den gan­zen Tag Durst macht. Die meis­te Zeit ver­brin­gen Mut­ter und Toch­ter am Strand der Nack­ten, der durch eine Bucht vom Spies­ser­strand ge­trennt ist. Dort lie­gen Karl und Hei­ke in Ba­de­klei­dern mit ih­rem Sohn Tim an der Son­ne. Ap­ple mag Hei­ke und Karl mag In­grid, aber an­ders.

Tim wird den An­blick sei­ner blas­sen, to­ten Mut­ter im Pool nie­mals ver­ges­sen, als er sie das letz­te Mal sah. Vie­le Jah­re da­nach liegt er In­grid zu Füs­sen, und als Tina, wie er sich mitt­ler­wei­le nennt, schwört er, In­grid nie zu ver­zei­hen. Ap­ple will von all dem nichts wis­sen. Sie möch­te aus ih­rem al­ten Le­ben aus­bre­chen und nie so wer­den wie ihre Mut­ter. Doch auch sie hat kein Glück mit den Män­nern und ver­liert we­gen ih­rer gros­sen Lie­be so­gar ihre Ar­beit. Das hat ihr be­hin­der­ter Mops, Herr Dr. Freud, si­cher nicht ge­wollt. Susi, ihre bes­te Freun­din schüt­telt über App­les Selbst­mit­leid den Kopf und zeigt ihr, wie man trotz ster­bens­kran­kem, schwu­len Mann den Mut nicht ver­liert.

Do­ris Dör­rie schafft es uns zu zei­gen, dass das Le­ben oft an­ders spielt, als wir er­war­ten. Sie lässt die Prot­ago­nis­tin­nen und Prot­ago­nis­ten in der Ich­per­spek­ti­ve re­den und ge­stal­tet so die Ka­pi­tel. Sie lässt so­gar den Hund re­den, Karl aber nicht. Den grenzt sie aus. Man fühlt sich den Er­zäh­le­rin­nen und Er­zäh­lern nah. Ja, man möch­te ih­nen gar Rat­schlä­ge er­tei­len. Man weiss aber doch nicht wel­che, weil es im Le­ben eben oft an­ders kommt, als wir den­ken. «Al­les in­klu­si­ve» ist ein le­sens­wer­tes Buch, das ei­nen zum La­chen bringt und die ei­ge­nen Pro­ble­me erst ver­ges­sen lässt, um sie so­fort wie­der aus ei­ner an­de­ren Per­spek­ti­ve zu be­trach­ten.

Su­san­ne Jan­ko­vics, Bi­blio­thek Wal­zen­hau­sen