Bella Ciao

Raf­fa­el­la Ro­ma­gno­lo, Bel­la Ciao : Ro­man. – Zü­rich : Dio­ge­nes, 2019. (978–3‑257–07062‑0)

Im ein­drück­li­chen Ro­man «Bel­la Ciao» (Ori­gi­nal­ti­tel: «De­sti­no») von Raf­fa­el­la Ro­ma­gno­lo er­hal­ten wir ei­nen tie­fen Ein­blick in das Le­ben ei­nes Dor­fes in Nord­ita­li­en in der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts. Wir le­sen über Kin­der­ar­beit und die Aus­beu­tung von Fa­brik­ar­bei­te­rin­nen und Land­päch­tern, über Na­tur­ka­ta­stro­phen, über den Kampf der Par­ti­sa­nen ge­gen den auf­kom­men­den Fa­schis­mus un­ter Mus­so­li­ni und über das Leid, das die Men­schen durch die Krie­ge er­fah­ren. Wir er­le­ben aber auch, wie Lie­be und Freund­schaft ent­ste­hen, fei­ern Fes­te mit und be­wun­dern den Le­bens­wil­len und die Le­bens­freu­de der Ein­woh­ner des Dor­fes «Bor­go di Den­tro», das an der Gren­ze zwi­schen Pie­mont und Li­gu­ri­en an­ge­sie­delt ist.

Nicht für alle Men­schen bleibt das Dorf Hei­mat. Giu­lia Mas­ca flüch­tet, nach­dem sie den Ver­rat und die Lie­be zwi­schen Ani­ta und Pie­tro ent­deckt hat, Hals über Kopf nach New York. «Wann war es zum ers­ten Mal pas­siert? Wann war Pie­tro Fer­ris Kör­per Ani­ta Ma­ria Ver­gi­ne Leo­ne zum ers­ten Mal auf­ge­fal­len – die Arme, die Schen­kel, die sich un­ter den Ho­sen ab­zeich­nen? Seit wann war Pie­tro von Ani­tas Lip­pen fas­zi­niert, flei­schig, wie schwar­ze Pflau­men? Wann hat­te Giu­lia auf­ge­hört, Giu­lia zu sein – Freun­din, Ver­lob­te – und hat­te plötz­lich zwi­schen ih­nen ge­stan­den, wie ein Hin­der­nis? Wann war sie ‹die An­de­re› ge­wor­den? Sie ken­nen sich von klein auf: Pie­tro, der Freund von Giu­lia, und Giu­lia, die Freun­din von Ani­ta.»

New York 1900–1946

Giu­lia er­reicht al­lei­ne, mit­tel­los und schwan­ger New York. Sie hat nie­man­den in­for­miert, dass sie Ita­li­en ver­lässt. Sie hat Glück: Im Le­bens­mit­tel­la­den – der Gros­se­ria – von Li­be­ro Man­fre­di fin­det sie nicht nur Auf­nah­me und Ar­beit, son­dern in Li­be­ro auch ei­nen Mann, der die jun­ge Frau liebt und schätzt und der Mi­cha­el, Giu­li­as Sohn, als sein ei­ge­nes Kind an­nimmt.

Rück­kehr

1946, Giu­lia ist An­fang sech­zig und schwer krank. Als ver­mö­gen­de Ame­ri­ka­ne­rin kehrt sie zu­sam­men mit ih­rem Sohn Mi­cha­el nach «Bor­go die Den­tro», dem Ort ih­rer Kind­heit, zu­rück. Von ih­rer Mut­ter hat sie nie mehr ge­hört. Alle Brie­fe und Geld­ge­schen­ke, die sie ihr ge­sandt hat, blie­ben un­be­ant­wor­tet. Wird sie ihre ehe­ma­li­ge Freun­din Anna wie­der­fin­den? Und Pie­tro? Wird sie den Mut ha­ben, ihm zu be­geg­nen?

Die Schrift­stel­le­rin

Raf­fa­el­la Ro­ma­gno­lo wur­de 1971 in Ca­sa­le Monferrato/Piemont ge­bo­ren. Sie ist Leh­re­rin für Ge­schich­te und Ita­lie­nisch und schreibt seit 2007 Ro­ma­ne, für die sie be­reits für den Pre­mio Stre­ga no­mi­niert war. Heu­te lebt sie in Roc­ca Grimalda/Piemont. Mit «Bel­la Ciao» ist ihr ein gros­ser li­te­ra­ri­scher Wurf ge­lun­gen, an­spruchs­voll, in­for­ma­tiv und un­ter­hal­tend.

Fa­zit

Die Au­torin zeich­net ein at­mo­sphä­risch dich­tes Bild des Le­bens der Men­schen im Pie­mont in der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts und be­sitzt ein fei­nes Ge­spür für zwi­schen­mensch­li­che Be­zie­hun­gen. Die Cha­rak­te­re sind le­bens­echt und au­then­tisch ge­zeich­net. Auf ein­drück­li­che Wei­se ver­bin­det die Au­torin fik­ti­ve Fa­mi­li­en­dra­men mit his­to­ri­scher, sehr gut re­cher­chier­ter Zeit­ge­schich­te.

Ga­bri­el­le Brun, Bi­blio­thek Teu­fen