Lempi, das heisst Liebe

Min­na Ry­ti­sa­lo, Lem­pi, das heisst Lie­be : Ro­man. – Mün­chen : Carl Han­ser Ver­lag, 2018. (978–3‑446–26004‑7)

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Lem­pi ist ein Ro­man aus Finn­land. Die Er­zäh­lung ist in­ter­es­sant auf­ge­baut. Das Buch be­steht aus drei Tei­len. In je­dem kommt eine Per­son zu Wort, die Lem­pi, der vier­ten Per­son, na­he­steht. Alle drei er­zäh­len ihre Ver­si­on da­von, wer Lem­pi war und was mit ihr ge­sche­hen ist. Von Lem­pi selbst er­fährt man nichts. Die drei Er­zäh­ler sind Vil­ja­mi, Lem­pis Mann, Elli, die Hil­fe auf dem Hof, und Sis­ko, Lem­pis Zwil­lings­schwes­ter. Mit je­der Per­son än­dert sich auch der Er­zähl­stil. Die­ser passt zum je­wei­li­gen Cha­rak­ter.

1944 hei­ra­ten Lem­pi, die Kauf­manns­toch­ter aus gu­tem Haus, und der Bau­ern­sohn Vil­ja­mi in Nord­finn­land. Bald wird Vil­ja­mi in den Krieg ein­ge­zo­gen, und Lem­pi, in­zwi­schen schwan­ger, bleibt mit Elli auf dem Hof zu­rück. Als Vil­ja­mi aus dem Krieg zu­rück­kehrt, ist Lem­pi ver­schwun­den, und Elli küm­mert sich um den Hof und die bei­den Kin­der. Vil­ja­mis Sor­ge wird bild­haft und be­drü­ckend dar­ge­stellt, al­lein bei der Lek­tü­re wird das Herz schwer.

«Dicht ne­ben­ein­an­der sas­sen wir, und von Eile wuss­ten wir noch nichts, hat­ten alle Zeit der Welt.»

Im zwei­ten Teil des Ro­mans er­zählt die Magd Elli. Von ihr be­kom­men wir ei­nen ganz an­de­ren Ein­druck von Lem­pi. Man ver­steht rasch, dass Elli nei­disch ist auf Lem­pi und sie rich­tig­ge­hend hasst. Sie fin­det, der Platz an Vil­ja­mis Sei­te ge­hö­re ihr. Sie scheut sich nicht da­vor, Lem­pi mit schwar­zer Ma­gie zu ver­wün­schen. Als Lem­pi spur­los ver­schwin­det, wäh­rend Vil­ja­mi an der Front ist, über­nimmt sie die Ver­ant­wor­tung für den Hof und die bei­den Kin­der. Als Vil­ja­mi zu­rück­kommt, ist für sie klar, dass sie die Rol­le der Ehe­frau und Mut­ter über­nimmt. Auch die­ser Teil ist stark ge­schrie­ben. Man spürt deut­lich El­lis Ver­ach­tung für Lem­pi.

Der letz­te Teil des Bu­ches ist der längs­te. Die Er­zäh­le­rin, Lem­pis Zwil­lings­schwes­ter Sis­ko, be­rich­tet rück­bli­ckend auf die ge­mein­sa­me Zeit. Sie er­zählt da­von, wie sie mit ih­rer Schwes­ter auf­ge­wach­sen ist, und wie eng ihr Ver­hält­nis und ihre Ver­bun­den­heit wa­ren bis zu Lem­pis Hei­rat und Weg­zug auf Vil­ja­mis Hof. Sis­ko wie­der­um ver­lieb­te sich wäh­rend des Krie­ges in ei­nen deut­schen Sol­da­ten. Mit ihm flüch­te­te sie über Nor­we­gen nach Deutsch­land, wo er ihr eine leuch­ten­de Zu­kunft ver­spro­chen hat.

So­wohl Vil­ja­mi, Elli als auch Sis­ko hat­ten, je­der auf sei­ne ei­ge­ne Art, ein sehr en­ges Ver­hält­nis zu Lem­pi. Aber die Auf­fas­sun­gen dar­über, wer sie war, und was mit ihr pas­siert ist, könn­ten un­ter­schied­li­cher nicht sein.

Das Buch er­zählt die Ge­schich­ten von Lem­pi in ei­ner mäch­ti­gen, teil­wei­se fast poe­ti­schen Spra­che, die über alle drei Tei­le Be­stand hat. Es geht nicht nur um die Cha­rak­te­re des Ro­mans. Das Buch er­zählt auch von fin­ni­schen Frau­en, die sich auf deut­sche Sol­da­ten ein­ge­las­sen ha­ben und ih­nen im Zuge des Krie­ges nach Deutsch­land ge­folgt sind — und wel­che Kon­se­quen­zen das für sie hat­te.

Die Au­torin Min­na Ry­ti­sa­lo (1974) hat mit Lem­pi ih­ren ers­ten Ro­man ver­öf­fent­licht. Das Buch wur­de be­reits mehr­fach aus­ge­zeich­net.

An­drea Zür­cher, Bi­blio­thek Re­he­to­bel