Junger Mann

Wolf Haas, Jun­ger Mann : Ro­man. — Ham­burg : Hoff­mann und Cam­pe, 2018. (978–3‑455–00388‑8)

Er­hält­lich auch als E‑Book un­ter:

«Er ist ein biss­chen zu dick und ein biss­chen zu jung für sie. – Sie ist ein biss­chen zu schön und ein biss­chen zu ver­hei­ra­tet für ihn.»

Den ös­ter­rei­chi­schen Schrift­stel­ler Wolf Haas kennt man vor al­lem durch sei­ne mehr­fach aus­ge­zeich­ne­te und ver­film­te Kri­mi­rei­he um den Er­mitt­ler und An­ti­hel­den Si­mon Bren­ner. Ein Grund für sei­nen Er­folg mag dar­in lie­gen, dass er mit sei­nem äus­serst ori­gi­nel­len Schreib­stil stets Span­nung, Ge­sell­schafts­kri­tik und Hu­mor ver­bin­det.

Mit sei­nem neu­en Ro­man (dies­mal kein Kri­mi) «Jun­ger Mann» hat Haas eine Ge­schich­te ge­schrie­ben, in der we­nig pas­siert und den­noch viel ge­schieht. Er schaut mit ei­nem be­rüh­ren­den Blick zu­rück in die Zei­ten, wo sich ein na­men­lo­ser Vier­zehn­jäh­ri­ger in die schö­ne Elsa ver­liebt. Und auch wenn die An­ge­be­te­te be­reits mit dem Last­wa­gen­fah­rer Tscho ver­hei­ra­tet ist, stellt dies kein Hin­der­nis für den Pu­ber­tie­ren­den dar: Er be­schliesst ein­fach, bis zum Ende der Fe­ri­en, wäh­rend er an ei­ner Tank­stel­le aus­hilft, sein Ide­al­ge­wicht zu er­rei­chen, also 15 von sei­nen 93 Kilo zu ver­lie­ren. Mit je­dem Kilo, das der jun­ge Mann ab­nimmt, sieht er sei­ne Chan­cen bei Elsa stei­gen. Ei­nes Ta­ges al­ler­dings taucht der ge­fürch­te­te Last­wa­gen­fah­rer über­ra­schend zwi­schen Die­sel-Zapf­säu­le und Tank­stel­len­shop auf und macht dem jun­gen Mann ein An­ge­bot, das er nicht ab­leh­nen kann.

In «Jun­ger Mann» er­zählt Haas Tei­le sei­ner ei­ge­nen Kind­heit und nimmt uns wäh­rend 237 Sei­ten gleich auf drei Rei­sen mit: In die Zeit der 1970er (mit Din­gen, wel­che man nur noch kennt, wenn man äl­ter als 40 ist), die Pu­ber­tät und die grie­chi­sche Ha­fen­stadt Thes­sa­lo­ni­ki. Lie­be­voll be­schreibt der Ro­man eine Zeit der Un­schuld und de­ren Ver­lust, die in­ne­re und äus­se­re Odys­see über das Ver­liebt­sein und Er­wach­sen­wer­den. Die Ge­schich­te punk­tet we­ni­ger mit Ac­tion als viel­mehr mit Stim­mun­gen, tref­fend be­schrie­be­nen Cha­rak­te­ren und ei­ner un­er­war­te­ten Wen­dung im letz­ten Vier­tel der Hand­lung. «Jun­ger Mann» ist das idea­le Buch für ein Rück­zugs-Wo­chen­en­de. Lena Münch no­tier­te dazu tref­fend im Spie­gel On­line: «Der Ro­man un­ter­hält so gut, dass er, kaum an­ge­fan­gen, schon wie­der zu Ende scheint, etwa wie die Ju­gend.»

Ge­rold Eb­ne­ter, Me­dia­thek der Kan­tons­schu­le Tro­gen